Die Planung
Dieses Mal ging es für mich an ein etwas ungewöhnlicheres Reiseziel. Die meisten Leute verbinden mit dem Land Pakistan dank der westlichen Medien wenig Positives. Wenn man sich aber ein wenig informiert und die Suchmaschinen anwirft stößt man recht schnell auf unglaubliche Landschaften und reiche Kulturen.
Bei mir kam der Gedanke nach Pakistan zu reisen vor etwa einem halben Jahr auf nachdem ich eine Nachricht in meiner Instagram-Inbox fand in der mir ein Pakistani kurz und knapp mitteilte “Come to Pakistan”. Geprägt von den Vorurteilen welche die Medien uns eintrichtern habe ich direkt sarkastisch mit “Na klar, das mache ich auf jeden Fall” geantwortet. Doch dann wurde ich neugierig und habe einfach mal etwas Nachforschung betrieben was dieses Land eigentlich landschaftlich zu bieten hat. Dabei stieß ich recht schnell auf unendliche Berglandschaften sowie tiefblaue Seen und Flüsse. Tatsächlich befinden sich einige der höchsten Berge der Welt im Norden Pakistans, darunter fünf Achttausender.
INFO: Reise- und Sicherheitshinweise zu Pakistan findest du auf der Website des Auswärtigen Amtes.
Im nächsten Schritt habe ich einige Leute kontaktiert, welche das Land bereits bereist hatten bzw. dort wohnen. Die YouTuberin und Bloggerin Eva zu Beck, die seit über einem Jahr durch Pakistan reist, sowie ein lokaler Anbieter für Touren bestärkten mich in meinen Reiseplänen. Nach kurzem Schriftkontakt lud mich der Besitzer des Touren-Anbieters Naveed Khan ein gemeinsam mit ihm durch die Berge der Region Gilgit-Baltistan zu reisen.
Nach kurzem Herumfragen schloss sich mir mein Kollege Steven an und nach einem kurzen Ausflug zur Pakistanischen Botschaft in Berlin hatten wir unser Visum in der Hand und die Flüge wurden gebucht.
Die Ankunft und Aklimatisierung
Ein paar Tage später kamen wir dann auch schon in Islamabad an. Von der Hauptstadt Pakistans brachte uns ein Fahrer zu einem nahegelegenen See, wo unser Guide Naveed ein kleines Häuschen gemietet hatte und zusammen mit Mishaal, einer Bekannten von ihm, auf uns wartete.
Nach einer knapp drei stündigen Fahrt (ja in Pakistan kann man dazu “nahegelegen” sagen, mehr dazu später) kamen wir an und nach der Begrüßung gab es ein traditionelles pakistanisches Frühstück, welches aus Paratha (eine Art Fladenbrot), Rührei mit Gemüse und Chai Tee bestand. Besteck gab es keines, hierzu diente das Fladenbrot von welchem man kleine Stücke abreißt und damit etwas Ei aufnimmt. Somit gab es quasi ganz viele Mini-Wraps zum Frühstück. Nach einem kurzen Mittagsschlaf – ja den brauchten wir nach 24 Stunden anreise – ging es dann mit Kanus auf den erwähnten See. Eine Stunde später kamen wir dann erschöpft und von der Sonne verbrannt zurück ans Ufer und begannen die Autos für die anstehende Fahrt in die Berge zu beladen. Vor der Abfahrt gab es noch Abendessen, dieses bestand erneut aus Paratha, als Beilage gab es nun aber mariniertes Hähnchenfleisch, Gemüse und Salat, und natürlich wurde wieder das Fladenbrot als Besteck genutzt.
Die Fahrt in die Berge
Nun ging es auf in die Berge. Zwei große Toyota Pickup-Trucks standen uns für die bevorstehende Fahrt zu Verfügung, die laut unseres Guides etwa 12 Stunden dauern sollte. Aktuell waren wir zu fünft: Naveed, Steven, Mishaal, Ich und der Fahrer der uns schon vom Flughafen abholte. In den Bergen wartete dann noch ein US-Amerikanischer Blogger den wir dort einsammeln sollten. Die Fahrt ging abends um acht los und unser Plan war es pünktlich zum Sonnenaufgang an unserem Ziel zu sein. Anfangs schien alles nach Plan zu laufen und auf recht guten Straßen kamen wir schnell voran. Doch mitten in der Nacht wurde es plötzlich holprig, von asphaltierten Straßen war nun weit und breit nichts mehr zu sehen. Über Dreck und Geröll in Schlangenlinien vorbei an Schlaglöchern und entlang an einer Klippe ging es die nächsten Stunden weiter. An Schlafen war dank der etwas in die Jahre gekommenen Federung des Autos leider nicht zu denken. Als es langsam wieder hell wurde wurden auch die Straßen besser und wir befanden uns plötzlich am Anfang des Karakorum Gebirges auf dem gleichnamigen Karakorum Highway. Leider nach wie vor weit weg von unserem eigentlichen Ziel. Zum Sonnenaufgang gab es statt schönen Landschaftsbildern also ein weiteres leckeres traditionelles Frühstück an einem kleinen Stand mit Stühlen und Tischen neben der Straße. Nach 10 Stunden brauchte unser Fahrer Naveed jetzt auch dringend eine Pause.
Der Highway der sich durch enge Straßen, viele Kurven und eine mehrere Hundert Meter tiefe Schlucht auszeichnet schlängelte sich noch einige Stunden durch die Berge bis es plötzlich wieder auf Schotterpisten weiter ging. Dieses Stück des weges sei durch häufige Erdrutsche wohl besonders gefährlich erklärte uns Naveed. Da es die vorherigen Tage recht viel geregnet hatte war die Straße ziemlich durchlöchert und teilweise mit Geröll überschüttet, die Durchschnittsgeschwindigkeit lag für die nächsten Stunden etwa bei 10km/h. Nun erfuhren wir auch erst, dass es statt nach Hunza (unser eigentliches Ziel) nach Astore gehen sollte. Dorthin wurden wir vom örtlichen Deputy Commissioner spontan eingeladen, mit der Bitte, diese Region zu erkunden.
Wieder einmal befanden wir uns am Rande eines knapp 1.000 Meter hohen Abgrundes auf einer Schotterpiste die gerade breit genug für unseren Pick-Up war. Ab und wann brachen ein paar Stücke ab und rutschten den Abgrund hinab. An diesem Punkt meldete sich auch unser zweiter Fahrer zu Wort, der sich weigerte an dieser Stelle weiter zu fahren, nachdem er es nun mit der Angst zu tun bekam – von meiner Seite aus absolut verständlich! Jetzt ging es in einem Auto weiter Richtung Astore. Der andere Fahrer hatte nach einem kurzen Streit mit Naveed umgedreht und wir haben ihn bis zum Ende unserer Reise nicht mehr gesehen.
Zwei Tage in Astore
Angekommen in dem riesigen Anwesen des Kommissars, der etwa dieselbe Funktion hat wie ein Bürgermeister, wurden Gästezimmer sowie ein riesiges Abendessen für uns vorbereitet. Nach knapp 24 Stunden stiegen wir endlich mal für mehr als 30 Minuten aus dem Auto aus.
Nach dem ersten richtigen Schlaf in Pakistan ging es für Steven und mich um 5 Uhr morgens aus dem Bett, da wir die rosa Kirschbäume, die überall in den Bergen blühten, beim Sonnenaufgang fotografieren wollten. Begleitet wurden wir von zwei bewaffneten Mitarbeitern des Kommissars. Schließlich waren wir ja nun offizielle VIP Gäste und uns durfte unter keinen Umständen etwas passieren. Für uns zwei war die Situation sehr ungewohnt, aber nach einer kurzen Unterhaltung mit den Männern war uns klar, dass keine Gefahr besteht. Im Gegenteil: Die beiden abgestellten Männer waren ziemlich freundlich. Als die Sonne nach einer Weile über die umliegenden Berge aufstieg konnten wir die ersten Fotos schießen. Die Kirschbäume strahlten in den schönsten Farben und das riesige Gebirge und die Gletscher glitzerten im ersten Sonnenlicht tiefblau.
Deosai National Park
Am selben Tag ging es dann mittags los zu einem Tagesausflug Richtung Deosai National Park, eine Hochebene welche auf etwa 4.000 Metern Höhe liegt. Da der National Park zu dieser Jahreszeit aufgrund von hohen Schneemassen normalerweise noch für Touristen gesperrt ist, nutzte unserer Guide Naveed unsere neu gewonnenen Kontakte und organisierte ein Treffen mit dem Pakistanischen Militär. Dieses sollte uns mit speziellen Fahrzeugen in die verschneite Gegend bringen. Nach einem Mittagessen in der Militärbasis und einem längeren Gespräch mit den Verantwortlichen der Armee entschloss man sich gegen die Spezialfahrzeuge und für eine längere Wanderung.
Für mich nicht weiter schlimm, so konnte ich wenigstens mal meinen Tatonka Yukon 50+10 richtig nutzen. Das gesamte Kamera-Equipment, warme Klamotten und genügend Wasser eingepackt und schon konnte es losgehen. Schon bald erreichten wir verschneite Landschaften und urige Bergdörfer und erhaschten ein paar Blicke auf die umliegenden Gletscher, dann war leider Schluss für uns. Wie schon erwartet blockierten riesige Schneemassen den Weg und wir mussten umdrehen. Geprägt von der pakistanischen Gelassenheit schien niemand wirklich enttäuscht. Größer war wohl die Freude bald wieder zurück im Dorf zu sein und den nächsten geliebten Chai zu schlürfen.
Das TV-Interview
Als wir am Abend zurück in dem Anwesen des Commissioners waren erreichte uns eine unerwartete Nachricht. Der größte Pakistanische Nachrichtensender GEO hat erfahren, dass “Blogger” aus Europa im Lande sind und hat um ein Interview am nächsten Morgen gebeten. Aufgeregt standen wir am nächsten Tag auf, machten uns fertig und warteten gespannt auf das Nachrichten-Team, welches das Interview aufzeichnen sollte.
Nach etwa einer Stunde bemerkten wir einen Mann, der auf dem Gelände herum stand und den wir bis dahin noch nicht gesehen hatten. Es stellte sich schnell heraus, dass der Sender einen lokalen Reporter geschickt hat. Dieser war mit einem iPhone und einem nicht angeschlossenen Mikrofon ausgestattet. Und mit diesen zwei Geräten musste das Interview aufgezeichnet werden. Nach etwa fünf Minuten hatten wir beide erzählt was uns an der Region Astore am besten gefallen hat und welche Ratschläge wir dem Tourismus des Landes mit auf den Weg geben wollen. Danach folgten auf Wunsch des Reporters noch einige Selfies und kurz darauf verabschiedeten wir uns.
Ankunft in Hunza
Sechs Stunden Fahrzeit waren es bis in die Region Hunza, welches das eigentliche Ziel unserer Reise war. Aufgrund der langen Anreise und dem ungeplanten und dem mehrtägigen Zwischenstopp in Astore, blieben uns in der Region allerdings nur noch knapp drei Tage. Bereits am ersten Abend machten wir uns auf dem Weg zu den Passu Cones, einem Gebirgszug welcher den Dolomiten stark ähnelt, aber etwa dreimal so hoch ist.
Neben den riesigen rötlich schimmernden Bergen beeindruckte uns vor allem eine kleine Lagune, die durch das Schmelzwasser des angrenzenden Batura Gletschers entstanden ist. Nach einer ausgiebigen Foto-Session ging es dann zurück zum nur 15 Minuten entfernt liegenden Hotel.
Attabad Lake
Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zum Attabad Lake, einem See der erst vor neun Jahren entstand als ein riesiger Erdrutsch den Hunza-Fluss blockierte und sich Gletscherwasser zu einem natürlichen Stausee aufstaute. Dies erklärt auch seine einzigartige blaue Farbe.
Leider blieben wir auf dem Weg dorthin mit unserem Auto im Schlamm stecken. Fortan mussten Steven und ich den restlichen Weg zu Fuß weiter gehen während Naveed sich um die Bergung des Geländewagens kümmerte. Nachdem wir am See ankamen und einige Kilometer am Ufer entlang liefen, erkundigten wir uns bei Naveed, ob der Pick-Up sich schon wieder auf befestigter Straße befand. Doch fast im selben Moment kam er aus der Gegenrichtung angefahren und sammelte uns ein.
Hussaini Hängebrücke
Unser nächstes Ziel war die Hussaini Hängebrücke welche ein weiteres Highlight unserer Reise war. Die rustikale Hängebrücke besteht aus einzelnen alten Holzbrettern die quer auf zwei Stahlseile gespannt sind. Dementsprechend instabil und unsicher wirkte die Überquerung dann auch, vor allem mit dem Hunza River der direkt unter den Füßen mit all seiner Kraft fließt. Irgendwie habe ich es dann doch über die Brücke geschafft und auf der anderen Seite wurden wir von einem tollen Ausblick auf das Tal und die Passu Cones belohnt. Besonders beeindruckend war, mit welcher Leichtigkeit die Einheimischen mit ihrer schwere Arbeitslast über die Brücke sprinteten. Ganz so, als gäbe es die luftigen Zwischenräume zwischen den einzelnen Sprossen gar nicht. Laut eigener Aussage wüsste man wohl nach vielen Überquerungen die Abstände recht gut einzuschätzen. Nach den erstaunlichen Eindrücken ging es mit dem Auto zurück zum Hotel. Während des Abendessens schmiedeten wir spannende Pläne für die letzten beiden Tage.
Wanderung zum Passu-Gletscher
Der Plan für den nächsten Tag war eine Wanderung entlang des Passu Gletschers bis zu einer Schäferhütte die sich auf einer Höhe von knapp 3.800 Metern befindet. Dort würden wir übernachten und uns am nächsten Morgen auf den Rückweg machen. Wie geplant begannen wir die Wanderung, jedoch stießen wir nach bereits einer Stunde auf die ersten Geröllfelder, die den eigentlichen Wanderweg verschüttet hatten. Davon ließen wir uns aber nicht aufhalten und stiegen langsam über die losen Steine hinweg bis wir wieder auf dem richtigen Weg waren. Von hier ging es dann eine Weile weiter geradeaus bis uns weitere Erdrutsche erwarteten. Wieder stiegen wir über die losen Steine und den matschigen Schnee und liefen langsam weiter entlang steiler Abhänge. Begleitet von den gut gemeinten Worten unseres Guides, es wäre nicht mehr weit bis zu unserem Ziel.
Als es langsam dunkel und der Pfad immer gefährlicher wurde, fragte ich unseren Guide, ob es überhaupt noch Sinn macht, weiter zu gehen. Uns schien es bereits zu riskant zu sein, denn in der Ferne hörte wir immer weider herunterfallende Steine. Nach kurzem Überlegen gab der Guide zu, wohl etwas übermotiviert gewesen zu sein, und dass es tatsächlich sicherer wäre, die Wanderung an dieser Stelle abzubrechen. Denn früher oder später könnten wir in einen Erdrutsch gelangen oder selbst der Auslöser für einen sein. Sichtlich erleichtert packten wir noch kurz die Kameras aus, schossen ein paar Fotos und machten uns danach schnell wieder auf den Rückweg. Und obwohl wir auf den letzten Metern noch unsere Stirnlampen anschalten mussten, schafften wir es noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu unserem Auto. Am Ende des Tages kamen wir alle unbeschadet im nächsten Hotel an.
Am nächsten Morgen hieß es dann Tasche packen und ein letztes mal Auto beladen. Unsere 24-stündige Rückfahrt stand an. Dank eines Erdrutsches, der ein Stück des Highways verschüttet hatte, dauerte unsere Rückreise am Ende über 30 Stunden. Am Ende waren wir heilfroh die pakistanischen Schotterpisten hinter uns zu lassen und in den Flieger zu steigen.
Was wir fürs nächste Mal gelernt haben?
Pakistan hat extrem viele schöne Landschaften zu bieten, man sollte aber mehr Zeit mitbringen und sich auf viele unerwartete Wendungen und einen stark erhöhten Adrenalinspiegel einstellen.