Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär… Zu gerne würde ich hier jetzt über den Start unserer Weltreise schreiben. Am 7. April 2020 um 13.30 Uhr wäre der Flug von Zürich via Hong Kong nach Tokio gegangen- Betonung auf „wäre“. Seit fast anderthalb Jahren sitzen wir an der Planung dieser Weltreise- unserem größten Traum! Wir standen vor der Entscheidung zwischen Wohneigentum zu kaufen oder eben zu reisen. Unsere Herzen zogen uns zur zweiten Variante, was wir mit unserem Ersparten anstellen wollen. So kam es, dass wir uns im Reisebüro unseres Vertrauens beraten ließen und schlussendlich fast alle Flüge, einige Unterkünfte und eine Hand voll geführte Touren zwischen April 2020 und März 2021 gebucht haben. Ja, wir haben gerne einen Plan, und es gibt sonst noch genügend zu organisieren unterwegs.

Als die Reisedaten bestätigt wurden, haben wir auch unsere Jobs und die Wohnung gekündigt.

Schwindende Hoffnungen

Irgendwann Anfang 2020 hat man in den Nachrichten mal von Corona gehört, weit, weit weg in China, wurde dann mal eine Provinz, von der wir noch nie gehört haben, abgeriegelt. Für Europäer, die in Wuhan fest saßen, wurde ein Rückholflug organisiert. Krass! Haben wir uns da gedacht, aber immer noch sehr weit weg für uns. Damals haben wir noch längst nicht gedacht, dass wir unsere langersehnte Reise nicht wie geplant antreten werden. Anfang März hatten wir vom Reisebüro immer noch grünes Licht! Die letzten Vorbereitungen, wie Reiseimpfungen, Vorsorgeuntersuchungen, Wohnungsauflösung und das Besorgen von Kameraobjektiven, Reisekissen und so weiter, waren im vollen Gange.

Die letzten Arbeitstage standen im Kalender, Aufgaben wurden den Kollegen übertragen und erklärt. Dann folgte ein Land nach dem anderen, das seine Grenzen dicht machte! Täglich folgten neue Nachrichten über Neuinfektionen in der Schweiz, da war es nun plötzlich ganz nah, das Virus, welches die Welt lahmlegen sollte. Unsere Hoffnungen wurden jeden Tag kleiner, und schon Tage bevor uns eine Nachricht des Reisebüros erreichte, dass die Reise wohl nicht so stattfinden kann wie geplant, haben wir damit gerechnet und alle Planungen eingestellt.

Neuorganisation in der Krise

Mitte März folgte dann auch der komplette Lockdown in der Schweiz. Einerseits sehr schade, denn wie viele andere Menschen auf diesem Planeten mussten auch wir uns innerhalb von wenigen Tagen neuorganisieren. Andererseits, selbst wenn wir theoretisch hätten abfliegen können, hätten wir sehr große Einschränkungen und Quarantäne in jedem einzelnen Land eingehen müssen, was definitiv auch nicht Spaß gemacht hätte. So sind wir eigentlich froh, dass die Grenzen geschlossen und der Flugverkehr eingestellt wurden, bevor wir abgereist sind. Obwohl wir bis jetzt noch nicht wissen, wie viel der bereits bezahlten Leistungen wir zurückerstattet bekommen, wenn überhaupt, haben wir dank der Bundesbeschlüsse wenigstens Chancen darauf, einen Teil unseres Geldes wieder zu sehen.

Fabienne mit ihrem Tatonka Yukon Trekkingrucksack auf dem Kopf.

Wir hätten Grund dazu, Trübsal zu blasen und uns selbst zu bemitleiden, doch was bringt uns das? Zum Glück haben wir über das Reisebüro gebucht, das sich um alle Angelegenheiten kümmert, wir kommen bei der Familie unter und wenigstens einer von uns beiden konnte den Arbeitsvertrag nahtlos verlängern. Dass die Familien und wir selbst gesund sind, ist nicht nur jetzt das größte Geschenk, und darüber sind wir auch unendlich dankbar! Also nein, wir haben keinen Grund uns zu bemitleiden, wir sind immer noch in einer sehr privilegierten Situation!

Unsere Rucksäcke bleiben zwar im Moment leer, aber wir zehren dafür umso mehr an den Erinnerungen der letzten Reise mit unseren treuen Begleitern. Diese Reise ist zwar schon fünf Jahre her, aber die Erinnerungen daran werden wir auf immer in unseren Herzen tragen. Damals waren wir für knapp drei Monate unterwegs in Myanmar, Bangkok und Australien.

Ankunft in Yangon: ein Kulturschock

Was für ein Kulturschock, als wir in Yangon gelandet sind und in ein Taxi stiegen, das keine Sicherheitsgurte hatte, die wurden einfach mal rausgerissen. Auf der dreispurigen Straße mit dichtem Verkehr wurde rechts und links, kreuz und quer überholt und vor allem gehupt. Wir haben auf dieser ersten Fahrt auch festgestellt, dass es in Myanmar nicht so wichtig ist, ob ein Bus eine Türe oder Fenster hat, Hauptsache die Hupe tut‘s.

Blick auf einen Tempel während des Sonnenuntergangs in Myanmar.

Im Hotel wurden wir extrem freundlich empfangen und uns wurden erst mal ein Erfrischungstuch und ein Saft serviert. Das war nach dieser Fahrt auch nötig und wohltuend. Geschlafen haben wir nicht sehr gut. Die Anreise hat uns emotional wahrscheinlich doch mehr zugesetzt als erwartet, der Jetlag hat sicher auch seinen Teil dazu beigetragen, und dazu hat die halbe Nacht immer wieder eine Sirene geheult. Tage später haben wir dann herausgefunden, dass die Sirene ein Vogel war.

Früh am nächsten Morgen wurden wir bereits vom nächsten Taxi abgeholt und wieder zum Flughafen gebracht. Dieses Mal war praktisch kein Verkehr und wir konnten uns in Ruhe den zweiten Eindruck von Yangon bilden. Nach dem ersten Schock am Vorabend folgte sogleich der nächste kleine Schreck am Flughafen. Da wollten wir uns am Geldautomaten Kyats abheben, doch als wir die Bankkarte reingesteckt haben, wurde der Bildschirm schwarz und natürlich kam die Karte nicht gleich wieder raus. Das gibt’s ja nicht! Noch keine zwölf Stunden in dem Land und schon das zweite Mal Herzrasen. Gott sei Dank kam die Karte nach gefühlten zehn Minuten, welche in Wahrheit wahrscheinlich nur ein paar Sekunden dauerten, von alleine wieder raus, und der Bildschirm zeigte wieder Farbe.

Jedoch haben wir uns dann nicht mehr getraut, noch einmal einen Versuch an dieser Maschine zu starten. Der nächste Kopfschüttel-Moment folgte sogleich. Als wir durch die Sicherheitsschleuse zum Wartebereich gingen, gab es nur einen Durchgang und man konnte alles anbehalten, also keine Gürtel ausziehen oder Jacke aufs Band legen. Auch Elektronik musste nicht separat gezeigt werden. Natürlich hat alles gepiepst beim Durchgehen, nur hat das niemanden interessiert, und wir wurden einfach weiter gewunken. Wir hätten also alles mitschmuggeln können. Der anschließende Inlandflug war sehr angenehm, obwohl das Flugzeug zum Teil mit Klebeband zusammengeflickt war, einfach nicht so genau hinschauen!

Erste Eindrücke einer fremden Kultur

In Heho wurden wir von unserer ersten Tourguide empfangen, und wir wurden durch die Landschaft Myanmars chauffiert. Irgendwie fühlten wir uns wie im Film. So schön und doch so anders als bei uns im Herzen Europas. Wenn ich jetzt, fünf Jahre später, daran denke, bin ich immer noch schockiert über all den Abfall überall. Auf dieser ersten Fahrt haben wir das erste buddhistische Kloster besucht und waren auf einem Weingut. Dort habe ich am eigenen Leib erfahren, dass sich Burmesen persönlich angegriffen fühlen, wenn man etwas ablehnt.

Rundreise Myanmar - Weißer Tempel in Mandalay.

Denn in der Besichtigung war eigentlich eine Weindegustation inbegriffen. Da ich normalerweise keinen Wein mag, versuchte ich das unserer Tourführerin klar zu machen, dass ich keinen eigenen Wein möchte, sondern bei meinem Freund einen Schluck mitprobiere. Die Enttäuschung war ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Den Wein aber wegschütten wollte ich auch nicht. Es sollte nicht der letzte Clinch sein, dem wir in Myanmar begegneten.

Andere Sitten und Gebräuche

Zum Beispiel habe ich mal ohne zu überlegen, die Autotür selbst geöffnet, als wir am Ziel angekommen sind. Ohoo, wenn Blicke töten könnten. Zukünftig machte der Fahrer fast eine Hechtrolle aus dem noch fahrenden Auto, damit ich ja nicht wieder auf die Idee kommen würde, die Türe selbst zu öffnen. Den Wein haben wir probiert, der war aber echt nichts Gutes. Die meisten schmeckten wie verbrannt. Und wir haben selbst bei nur einem Degustationsset noch welchen stehen lassen.

Dann wurden wir zu einem kleinen Restaurant gebracht, wo wir die einzigen Gäste waren. Uns wurden diverse Platten mit unterschiedlichen Gerichten aufgetischt, bis es keinen freien Platz mehr hatte auf dem Tisch. Dazu konnten wir mega-leckere Fruchtsäfte bestellen und das alles für umgerechnet etwa 6 Dollar.

Die Fahrt ging weiter, bis es plötzlich hieß, dass wir hier aussteigen und auf ein Boot umsteigen, welches uns zum Hotel bringt. Für uns selbstverständlich, wollten wir unser schweres Gepäck selbst tragen, doch das wurde so rasch ausgeladen, dass wir gar keine Chance dazu hatten. Eine kurze Bootsfahrt über den Inlelake und wir haben unsere Unterkunft erreicht. Auch dort haben zierliche Burmesinnen unsere Rucksäcke ausgeladen und getragen. Das ist für sie eine große Ehre, uns zu dienen. Uns war aber gar nicht wohl, denn ein Backpack hatte um die 15 Kilo oder noch mehr, und die Menschen dort sind wirklich klein und schlank.

Pagoden aus Stein in einer Tempelanlage in Myanmar.

Unser Zimmer war ein kleines, schnuckliges Hüttchen mit Veranda direkt vor einem eigenen Teich. Hier kamen wir das erste Mal etwas zur Ruhe und konnten die Erlebnisse der ersten 24 Stunden ein bisschen verarbeiten. Wenn der erste Tag schon so ereignisreich war, was kommt dann noch alles die nächsten drei Monate auf uns zu??? Wir ließen uns tragen und treiben.

Myanmar: Land der Tempel und Pagoden

In Myanmar haben wir unzählig viele Tempel und Pagoden besucht, dass wir irgendwann die Schönheit jeder Einzelnen nicht mehr erkennen konnten und unsere Speicher dafür voll waren, es kam sogar der Punkt, dass wir wirklich keine Lust mehr hatten, noch einmal eine zu besuchen. Und so haben wir die berühmte, goldene Shwedagon-Pagode in Yangon am Ende unserer Rundreise einfach komplett weggelassen und es bis heute nicht bereut, es war einfach zu viel.

Pagoden in einer Tempelanlage in Myanmar.

So manche kulinarische Erfahrung, positiv und negativ, haben wir machen dürfen. Esst niemals „tea leaves“! Ich werde heute noch von meinem Freund wegen meiner Grimasse hochgenommen, die ich scheinbar gezogen habe, als ich das probiert habe. Den Spruch „peal it, cook it or forget it“ haben wir befolgt und haben trotzdem mit Magen-Darm-Problemen gekämpft wegen Mandarinen. Noch nie vorher und nie wieder nach Myanmar sind wir so freundlichen Menschen begegnet, die sich von ganzem Herzen freuten, wenn sie mal fremde und dann noch sooooo große Menschen wie uns getroffen haben. Oftmals waren wir die Attraktion für Burmesen und wir wissen nicht, für wie viele Fotos wir herhalten mussten.

Pagode Tempel in Myanmar.

Faszination, Unbehagen und eine neue Gelassenheit

Unglaublich faszinierend war auch die Handwerkskunst in diesem Land. Egal ob Schmuck, Werkzeug, Buddhastatuen, Gebrauchsgegenstände wie Geschirr, Stoffe und Zigarren. Die Hände haben mit höchster Präzision und hervorragender Qualität Sachen erschaffen, von denen wir nicht mal wussten, dass es sie überhaupt gibt. Und dann war da noch die Kultur und Religion, für uns so fremd, und manchmal sogar unangenehm, den Zeremonien als Zuschauer beizuwohnen, und doch so unbeschreiblich spannend und faszinierend.

Rundreise Myanmar - Burmesen beim fertigen einer weissen Buddha-Statue.

Das unangenehmste war, als wir in einem Kloster waren und hunderte von Touristen, darunter wir, am Straßenrand standen, um den buddhistischen Mönchen zuzuschauen, wie sie von Spenderfamilien ihr Essen geschöpft bekommen und wie sie essen. Heute würde ich dem Tourguide sagen, dass ich das befremdlich finde und das nicht unterstützen möchte.

Handwerkskunst in Myanmar.

Wir sind durch Märkte gelaufen, wo einem fast schlecht wurde, wegen des unhygienischen Umgangs mit Lebensmitteln. Gerade Geflügel, welches in der prallen Sonne auf dem staubigen Boden zum Verkauf angeboten wurde, kehrte mir beinahe den Magen um. Gut, ich war schon Vegetarierin, sonst wäre ich es ziemlich sicher dort geworden. Etwas ganz Wichtiges habe ich aber in Myanmar gelernt. Gelassenheit, nicht alles immer so eng zu sehen und wenn das Boot ein Leck hat, kann man ja einfach mal mit einem Kübel das Wasser wieder rausschaufeln. Das war bei einer Sunset-Bootstour tatsächlich so, und wir sind nicht untergegangen!

Rundreise Myanmar - markt mit Ständen.

Belohntes Vertrauen

Und Vertrauen haben zu dürfen. Am letzten Abend in Yangon sind wir in die Stadt gefahren, um essen zu gehen. Dort haben wir dann erfahren, dass man auch mit Pizza so einiges falsch machen kann. Oh Mann, weiteres Learning daraus- esse lokal! Nun gut, wir haben uns für die Fahrt zurück ins Hotel vom Restaurant ein Taxi rufen lassen. Zum Glück hatten wir eine Karte vom Hotel dabei, die man dem Taxifahrer abgeben kann. Denn die verstehen meistens kein Englisch. Leider nützt sie auch nicht viel, wenn der Taxifahrer keinen Plan hat, wo das ist und wir logischerweise ja auch nicht.

Bergtempel Mount Popa in Myanmar.
Bergtempel Mount Popa in Myanmar.

Zu fünft haben der Taxifahrer, der Restaurantchef und Angestellte versucht einander zu erklären, wo das sein könnte. Verstanden haben wir kein Wort, aber durch die wilde Gestikulation, konnten wir schon erahnen, dass eigentlich niemand eine Ahnung hatte. Kann das nur gut gehen? Irgendwann holte uns der Taxifahrer und gab uns das Zeichen, dass er weiß, wo das Hotel ist. Wir mussten ihm vertrauen. Zwar hat er uns auf dem Weg noch etwa fünf Mal mit seinen drei Brocken Englisch gefragt, wie das Hotel und die Straße heißen, aber wir sind angekommen.

Richtig ist, was sich richtig anfühlt

Noch heute sind wir uns nicht ganz einig, ob es ethisch vertretbar ist, nach Myanmar zu reisen. Viele Menschen leben vom Tourismus dort, und der Tourismus bringt auch Fortschritt in das Land. Die Frage, die wir uns stellen, ist, ob das Land und die Menschen den Fortschritt auf diese Art brauchen und wünschen. Wir gehen dorthin und sehen, was alles «falsch» ist in unseren Augen und was man alles verbessern oder verändern müsste. Ob das aber auch für die Menschen und das Land wirklich das Beste ist, dessen bin ich mir nicht sicher. Ich denke, durch den Tourismus geht auch viel Tradition, die den Burmesen sehr wichtig ist, verloren und somit auch Kulturgut, das so einmalig ist in diesem Land. Hier kann man jetzt noch stundenlang weiter philosophieren, ob reisen allgemein, egal wohin, «richtig» ist. Überall hinterlässt man Fußspuren, positive und negative.

Da das Reisen im Moment ja aber sowieso nicht möglich ist, muss man auf diese Frage auch keine Antwort finden, und ich glaube, richtig ist, was sich richtig anfühlt. Das wird bei jedem etwas anderes sein und sich vielleicht mit der Zeit auch verändern. Mein Wunsch für uns alle ist es, dass die, die von Herzen gerne wollen und für die es sich richtig anfühlt, bald wieder aufbrechen können. Und allen anderen wünsche ich unvergessliche Abenteuer in der Heimat!

Alles Liebe, Fabienne

Weitere Impressionen von Fabiennes Rundreise durch Myanmar:

Kleine Stein-Pagoden in Myanmar.
Sonnenuntergang über Holz-Steg.
Nahrungszubereitung.
Holz-Häuser auf Stelzen.

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