Es ist ein aufregender Moment, als ich nach fünf Stunden Autofahrt durch das flache Land zum ersten Mal die steil aufragenden Feldwände der Drakensberge am Horizont erkennen kann. Wie eine gigantische Festung aus Stein erheben sich die höchsten Berge des südlichen Afrikas aus der Ebene. Je näher wir kommen, desto beeindruckender werden ihre Ausmaße und ihre wilde Schönheit. Und desto größer der Respekt vor dem, was uns in den kommenden Tagen erwartet.
Die Wildnis ruft
Insgesamt elf Tage lang wollen wir zu Fuß auf dem Dach Südafrikas unterwegs sein und dabei alles auf dem Rücken tragen, was wir zum Leben brauchen. Für dieses Vorhaben habe ich den Yukon 50+10 gewählt. Als ich am Abend in meiner Unterkunft sitze und all die Dinge betrachte, die um mich herum verstreut auf dem Boden liegen und darauf warten, eingepackt zu werden, kommen allerdings leise Zweifel auf. Ob die etwas größere Variante des Yukon nicht vielleicht doch die bessere Wahl gewesen wäre? Aber der Rucksack entpuppt sich als Raumwunder und schon wenig später macht es zweimal „klick“. Der Deckel ist zu, mein für drei Jahreszeiten geeignetes Zelt, ein warmer Schlafsack und Isomatte, wetterfeste Kleidung, Kameraausrüstung und Verpflegung für sechs Tage sind bestens verstaut. Auf halber Strecke werden wir Nachschub an Essen hoch in die Berge gebracht bekommen – unser einziger Kontakt zur Außenwelt in der gesamten Zeit. Denn die Drakensberge sind ein wilder Ort, Annehmlichkeiten wie Hütten oder ausgebaute Wanderwege sucht man in den Hochebenen vergeblich. Und genau das macht sie zu einem Paradies für Trekking-Abenteuer.
Im Angesicht der Kaltfront
Pünktlich zu unserem Tourstart erreicht auch eine ausgewachsene Kaltfront die hohen Lagen der Drakensberge und bringt eisigen Wind, jede Menge Nebel sowie Regen, Schnee und Hagel mit. Hier oben auf über 3.000 Metern muss man auch im Sommer mit allem rechnen, was das Wetter zu bieten hat. Aber wir sind bestens ausgerüstet, und wenn die Wolken zwischendurch doch mal aufreißen und den Blick freigeben auf die weiten Ebenen, die zackigen Felstürme und schroffen Klippen, bekommen wir eine erste Ahnung von der faszinierenden Landschaft, in der wir dort unterwegs sind.
uKhahlamba nennen die Zulu das Gebirge, was so viel wie „Wand der aufgestellten Speere“ bedeutet. Diese Wand stürzt bis zu 1.000 Meter in die Tiefe, und mit ihr die Tugela Falls, der zweithöchste Wasserfall der Welt. Die Abbruchkante wird in den kommenden Tagen grob unsere Route vorgeben. Für die Detailplanung haben wir zwei Guides dabei, die die Gegend hier wie ihre Westentasche kennen und uns zielsicher durch die Nebelwände manövrieren.
Pures Wanderglück
Schon am nächsten Tag überrascht uns das Wetter erneut, und zwar als plötzlich entgegen aller Vorhersagen die Wolken weichen und den Himmel frei machen für die Sonne und ihre warmen Strahlen. Wir nehmen sie dankbar an, legen uns ins Gras, halten die Füße in einen kalten Gebirgsbach, trinken frisch gekochten Kaffee und sehen den Geiern dabei zu, wie sie unaufhörlich ihre Kreise über der Felswand ziehen, in deren Vorsprüngen und Felshöhlen sie ihre Nester errichtet haben. Pures Wanderglück also und einer dieser Momente, für die sich alle Strapazen und Anstrengungen lohnen.
Der Zeitplan für unsere Tour ist nicht allzu eng getaktet und lässt uns genug Freiraum, die Drakensberge in all ihrer Schönheit zu genießen. Manchmal kommen wir schon am frühen Nachmittag an unserem geplanten Übernachtungsplatz an, bauen in aller Ruhe die Zelte auf und erkunden nach dem obligatorischen Snack die Gegend. Steigen auf kleine Gipfel in der Nähe oder laufen vor zur Kante und sehen den Wolken dabei zu, wie sie unaufhörlich und wie in einem Chemielabor über die Felsen wabern, bis sich der Himmel langsam pink färbt und die Sonne begleitet von schillernden Farben hinter dem Horizont verschwindet.
Höhle mit Aussicht
Wanderhütten gibt es oben in den Drakensbergen zwar nicht, dafür aber einige Felshöhlen, in denen man übernachten kann. Eine der spektakulärsten ist der kleine Roland’s Cave, mitten in eine Steilwand eingebettet und nur über einen schmalen, ausgesetzten Pfad erreichbar. Hier rollen wir unsere Isomatten und Schlafsäcke aus – gerade noch rechtzeitig, bevor das Gewitter kommt. Vor Wind und Wetter geschützt betrachten wir die dunklen Wolken, später den imposanten Sternenhimmel und am nächsten Morgen den wohl schönsten Sonnenaufgang der gesamten Tour. Ein „Room with a view“ wie aus dem Bilderbuch, perfekt abgerundet durch eine extra Portion Schokoladenkekse, die wir am Vortag am mit unserem Resupply-Team vereinbarten Treffpunkt in Empfang genommen haben. Das bedeutet allerdings auch, dass mein Yukon nun wieder prall gefüllt und einige Kilo schwerer ist. Ich trage es (oder besser gesagt ihn) mit Fassung.
Auf den höchsten Berg Südafrikas
3.450 Meter ragt der Mafadi in den Himmel und ist damit der höchste Berg Südafrikas. Sonderlich spektakulär wirkt er mit seinem flachen und weitläufigen Gipfel zwar nicht, aber die Aussicht von oben ist es dafür umso mehr. Zu drei Seiten breitet sich die endlose Bergwelt der Drakensberge vor unseren Augen aus und auf einer Seite das weite Tiefland Südafrikas, das dort beginnt, wo die wellenartig geschwungenen Ausläufer der Drakensberge enden. Hier und da lassen sich Siedlungen und Straßen ausmachen. Bestandteile einer Welt, die in diesem Moment von unserer nicht weiter entfernt sein könnten. Irgendwo da unten gibt es kalte Cola, fettige Pommes und warme, weiche Betten. Aber nichts davon würde ich in diesem Moment gegen den Blick vom höchsten Punkt Südafrikas und der Aussicht auf ein paar weitere Nächte unter den Sternen eintauschen wollen.
Eine andere Gruppe Wanderer nähert sich dem Gipfel, die Tour auf den Mafadi gehört zu den beliebtesten Routen hier in den Drakensbergen. Während unserer gesamten Tour haben wir nur wenige andere Wanderer getroffen, dazu ein paar Hirten aus dem benachbarten Lesotho, die hier oben im Sommer kleine Herden von Ziegen und Kühen weiden lassen. Wer Ruhe und Einsamkeit in Verbindung mit einer Prise Abenteuer und jeder Menge beeindruckender Landschaft sucht, wird in den Drakensbergen definitiv fündig. Und als wir am letzten Tag zum ersten Mal über die Kante steigen, an dessen Rand wir so lange entlang gewandert sind, werde ich doch ein bisschen wehmütig. Immer wieder schaue ich während des Abstiegs über den steilen, steinigen Pass zurück. „Unsere“ Drakensberge aus dieser Perspektive zu sehen ist ein ungewohnter, aber mindestens ebenso grandioser Anblick. Bald werden die Blumen zahlreicher, die Vegetation dichter und wir sehen zum ersten Mal nach einer gefühlten Ewigkeit wieder Bäume. Der Abschied von der Bergwelt da oben fällt nicht leicht, aber die Vorfreude auf eine heiße Dusche und ein extra großes Vanille-Milchshake gewinnt nun langsam doch die Oberhand.
Lese-Tipp: Trekking-Nahrung – So planst du die Verpflegung für längere Touren
Wandern in den Drakensbergen – meine Tipps
Beste Reisezeit: Für die hohen Lagen eignen sich der südafrikanische Frühling (September – November) und Herbst (März – Mai) am besten, denn der Winter kann empfindlich kalt werden und im Sommer gibt es nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch viel Niederschlag.
Anreise: Per Flugzeug nach Johannesburg, von dort es geht es am besten mit dem Mietwagen weiter oder du buchst einen Shuttle-Service über einen Touranbieter.
Anforderungen: Neben dem wechselhaften Wetter und der Abgeschiedenheit ist vor allem das weglose Gelände eine Herausforderung für die Planung und das Trekking selbst. Möchtest du auf eigene Faust losziehen, sollest Du auf jeden Fall Erfahrung mit dem Wandern in weglosem Gelände und Orientierung bei schlechter Sicht haben. Ansonsten buche lieber einen Guide, was übrigens gar nicht so teuer ist. Zudem solltest du eine gewisse Grundfitness mitbringen, denn die Luft wird ab 3.000 Metern schon merklich dünner und der Rucksack mit Verpflegung und Ausrüstung will ja auch getragen werden. Alternativ gibt es natürlich auch die Möglichkeit, Porter zu buchen, die dein Gepäck ganz oder teilweise übernehmen.
Ausrüstung: Ein wetterfestes Zelt sowie Schlafsack und Isomatte, die auch für leichte Minusgrade geeignet sind, sind zu jeder Jahreszeit Pflicht. Im Rucksack sollte neben der Ausrüstung auch Verpflegung für mehrere Tage Platz finden – eine erweiterbare Variante wie der Yukon ist dafür sehr praktisch, denn das Essen wird ja mit der Zeit wieder weniger. Dieser sollte natürlich bequem sitzen, sodass du ihn trotz des Gewichts auch über mehrere Tage problemlos tragen kannst. Dafür sind zudem Trekkingstöcke nützlich, die dir im weglosen Gelände zusätzlich Halt geben.
Alternativen: Auch in den tieferen Lagen der Drakensberge, dem sogenannten „Little Berg“, gibt es zahlreiche Wandermöglichkeiten und sogar einfache Wanderhütten. Hier kannst du ebenfalls Mehrtagestouren unternehmen oder Tagestouren machen. Und die Berge sind aus dieser Perspektive mindestens genauso schön.