17,8 kg. Das zeigt die Waage bei der Aufgabe meines Rucksacks am Flughafen in München an. Damit hatten wir nicht gerechnet. Gut vorbereitet wie wir sind, googlen wir noch schnell: Wie viel Gewicht beim Trekking? Die Antwort: Man sollte maximal 25% des eigenen Körpergewichts dabeihaben. Naja, knapp daneben.
Die ersten Meter am Flughafen in Oslo und durch die Stadt zu unserem Hostel haben wir nur einen Gedanken: Wir schaffen es niemals, diese schweren Rucksäcke sechs Tage lang durch’s Gebirge zu tragen. Wie soll das funktionieren? Also setzen wir uns im Hostel nochmal hin und gehen alles durch, was wir in den Rucksäcken haben. Was kann raus? Wie viel Essen brauchen wir wirklich? Eine Packung Nüsse fliegt, und jeweils ein T-Shirt. Recht viel mehr können und wollen wir nicht entbehren und die paar Gramm machen schließlich auch keinen Unterschied mehr.
Was ist der Plan?
Das fragen wir uns bis zur letzten Minute selbst. Wir suchen ein Abenteuer und wir möchten ein waschechtes Outdoor-Erlebnis haben. Zwar gehen wir beide regelmäßig in den heimischen Alpen zum Wandern und lieben die Berge über alles. Jedoch haben wir noch nie wild gezeltet, geschweige denn eine Trekking-Tour gemacht. Als wir von Fiona’s Verlobten hörten, dass er mit seinem besten Kumpel diesen Sommer genau das vorhat, dachten wir beide sofort: das klingt großartig, wir machen das auch! Der beste Zeitraum für unser Vorhaben im norwegischen Gebirge Jotunheimen ist von Juni bis August. Die Temperaturen liegen tagsüber um die 10 Grad und nachts kann es auch einstellige Minusgrade erreichen.
So beginnen wir mit unserer chaotischen Planung und versuchen, uns auf Blogs und Touri-Seiten etwas in das Thema einzulesen. Die Route hatte der Kumpel bereits über komoot geplant (danke Tom! 😊). Für uns war jedoch bis zuletzt unklar: Hütte oder Zelt? Wie viel Essen sollen wir mitnehmen? Auf den Rat eines Kollegen hin, beschlossen wir in letzter Minute, Essen für die komplette Tour mitzunehmen, um möglichst autark zu bleiben.
Auf unserem Weg gibt es zwar einige DNT-Hütten (Den Norske Turistforening, quasi der norwegische DAV), auf denen man sowohl schlafen, als auch einkehren und Lebensmittel kaufen kann, jedoch möchten wir unser Abenteuer lieber mit dem Zelt bestreiten. So können wir die Natur, mit all ihren schönen und rauen Seiten, noch intensiver erleben. Dafür ist Norwegen als Destination schließlich perfekt: Durch das Jedermannsrecht darf man dort überall sein Zelt aufschlagen, anders als in den meisten anderen europäischen Ländern.
Tipp: Noch nie getrekkt? Hier geben wir dir Tipps für deine erste Trekkingtour.
Tag 1 – von Gjendesheim über den Besseggen-Grat
Am ersten Tag um 8.30 Uhr fährt unser Bus vom Busterminal Oslo Richtung Gjendesheim. Dieser Bus fährt einmal täglich und bringt einen von Oslo direkt zum Startpunkt unserer Trekking-Tour in Jotunheimen. Wir haben ihn online gebucht auf https://www.nor-way.no/en und für zwei Personen ca. 155 Euro bezahlt, was wir in Ordnung finden, wenn man bedenkt, dass man das halbe Land durchquert.
Wir hätten für unsere Anreise nach Jotunheimen auch nach Bergen fliegen können, was allerdings von der Strecke her keinen großen Unterschied gemacht hätte. Wir haben uns schließlich wegen der Flexibilität und dem größeren Angebot an Unterkünften und Flügen für die Hauptstadt Oslo als Startpunkt unserer Reise entschieden.
Als wir so gemütlich im Bus sitzen, dort unser Handy aufladen, etwas schlafen und die Landschaft genießen, kommt uns plötzlich ein Gedanke. Wir haben vergessen, eine Gaskartusche zu kaufen! Gut nur, dass ungefähr alles, was wir an Essen dabeihaben, mit heißem Wasser zubereitet wird und wir ohne Gaskartusche für den Kocher komplett aufgeschmissen sind. Klassiker. Gestern den ganzen Tag unbeschwert durch Oslo geschlendert und nicht einen Gedanken daran verschwendet und genau dann, als wir schon mitten im Nirgendwo sind, fällt es uns ein. (Im Flieger ist es auch im Aufgabegepäck nicht erlaubt, Gaskartuschen mitzuführen.) Also kommt wieder das Last-Minute-Googlen: Gaskartuschen kaufen in Gjendesheim. Laut zahlreichen Reiseberichten kein Problem.
Nach 4 ½ Stunden Fahrt kommen wir in Gjendesheim an und werden von saftigem Regenwetter begrüßt. Wir strahlen in das erste Gebäude, entdecken einen kleinen Shop und suchen fast schon panisch nach den Gaskartuschen. Genau eine Gaskartusche gibt es hier zu kaufen, und zwar eine zum Stechen. Etwas niedergeschlagen trinken wir erstmal einen Kaffee und überlegen, was wir tun könnten, falls wir ohne Kocher zurechtkommen müssen. Ein paar Meter die Straße hinauf gibt es noch ein zweites Gebäude, das wohl die DNT-Hütte zu sein scheint. Ohne meinen Kaffee ausgetrunken zu haben, mache ich mich auf den Weg dorthin, um unsere letzte Möglichkeit auszuloten. Hier werde ich dann Gott sei Dank fündig: Jede Menge Auswahl an Outdoor-Artikeln, Trekkingnahrung, Wanderschuhen, Jacken und Gaskartuschen! Ich kaufe zwei Stück und werde von der Verkäuferin darauf hingewiesen, dass die Verwendung dieser aktuell verboten sei, da Waldbrandgefahr herrscht. Komisch, denke ich. Welcher Wald? Bei diesem Regen?
Der Regen bricht unterdessen nicht ab, also ziehen wir unsere komplette Regenkluft an. Wir sind optimistisch und aufgeregt, dass es tatsächlich endlich los geht! Um 14 Uhr laufen wir los.
Der Wanderweg beginnt direkt gegenüber der DNT-Hütte und es geht direkt steil bergauf. Nach ca. 50 Metern der Berg hinauf, hört es auf zu regnen und uns wird direkt viel zu warm in unseren Regenklamotten. Also geht eine Schleife los, die uns auch die nächsten Tage immer wieder begleiten wird: Rucksack runter, Stöcke ablegen, Regenklamotten ausziehen, Rucksack rauf und immer so weiter.
Auf unseren ersten Metern kommen uns viele Menschen entgegen und ein paar laufen auch mit uns in die gleiche Richtung. Diesen Trubel kennen wir bereits aus unseren heimischen Bergen, hoffen aber, dass sich das bald verläuft. Die Wege sind gut gekennzeichnet und durch das rote „T“ alle paar Meter kaum zu verfehlen. Wir tracken von Anfang an unsere Tour über komoot mit, was wir auch zur Navigation verwenden, sollten wir doch mal vom Weg abkommen.
Wir bewundern zu unserer Linken immer wieder die Aussicht über den See Gjende, welcher uns an einen typischen norwegischen Fjord erinnert. Genauso haben wir uns Norwegen vorgestellt! Entlang des Weges kommt der erste Wasserfall und wir füllen unsere Trinkflaschen auf. Auch das Thema Wasser hat uns in der Vorbereitung unserer Tour viel beschäftigt. Da wir schließlich von mehreren Seiten gehört haben, dass man das Wasser in Jotunheimen problemlos ohne Filter, Abkochen, Tabletten oder ähnlichem trinken kann, tun wir genau das. Und es schmeckt köstlich! Eiskaltes, frisches Bergwasser.
Auf unserem weiteren Weg begleiten uns immer wieder Regenschauer und wir sind froh um unsere guten Regenjacken. Einige Passagen des Weges sind besonders steinig und werden auch etwas kraxlig. Sie sind die ersten Vorboten für das, was auf unserer Tour noch kommt.
Nach den ersten Höhenmetern und dem Queren von kleinen Bächen und dem ein oder anderen Schneefeld gelangen wir zu einem Meer aus Steinen, das uns die nächsten Stunden begleiten wird. Die etwas triste Route frustriert uns durch die nur angedeutete Aussicht sehr. Der Dauerregen und die Kälte auf knapp 2.000 hm mit Nebel dazu sind keine schöne Kombi. Eine kleine Hoffnung ist jedoch, dass das Wetter für die kommenden Tage deutlich besser angesagt ist.
Zu unserer großen Überraschung funktioniert das Wandern mit unseren schweren Rucksäcken viel besser als erwartet. Wir spüren das Gewicht auf unserem Rücken kaum und vergessen es teilweise sogar, weil wir sehr auf den Weg und auf die Landschaft fokussiert sind. Das richtige Einstellen der Trekkingrucksäcke ist hier entscheidend und fühlt sich auf dem Rücken direkt komplett anders an, als mit nicht individuell eingestelltem Rucksack.
Als wir das Steinemeer durchquert haben und mit 1.700 hm den höchsten Punkt unserer Tour und des Besseggen erreicht haben, werden wir mit einer fabelhaften Aussicht belohnt. Wir sehen zwei Seen (Gjende und Bessvatnet) mit einer umwerfenden Berglandschaft dahinter und kommen aus dem Staunen kaum mehr heraus. Ein Videoanruf bei den Eltern und zahlreiche Fotos später, ist die Zeit bereits gut vorangeschritten und wir versuchen von hier oben, einen Zeltplatz ausfindig zu machen.
Die Suche gestaltet sich bei den vielen Steinen und schiefem Boden sehr schwierig. Es scheint kaum eine geeignete Stelle in der Nähe zu geben. Dazu kommt noch, dass wir den Abstieg über den Grat komplett unterschätzt haben und über die steilen Felsen nur sehr langsam vorankommen. Rechts und links geht es steil bergab und wir müssen bei manchen Passagen unsere Rucksäcke abnehmen, um sicher herunterklettern zu können. Von unten betrachtet sind wir einfach mehr als glücklich, es heil herunter geschafft zu haben.
Unser Glück bei der späten Zeltplatzsuche ist, dass es in Norwegen im Juli kaum dunkel wird. Auch um 22 Uhr haben wir noch volles Tageslicht und finden doch noch eine ebene Fläche, die wohl auch zuvor schon von anderen Trekkern zum Zelten genutzt wurde, was die gestapelten Steine an der Seite vermuten lassen. Leider ist die Fläche aufgrund des Regens sehr matschig. Wir finden allerdings in der Nähe nichts Besseres und beschließen, hier unser Lager aufzuschlagen.
Unser Zelt ist schnell aufgebaut und unsere aufblasbaren Isomatten und Schlafsäcke hineingeworfen. Wir haben das Tatonka Okisba 2-Personen-Zelt dabei, welches sich mit 2,7 kg und kleinem Packmaß perfekt für‘s Trekking eignet. Noch dazu hat es ein kleines Vorzelt ohne Boden, in dem wir unsere teilweise nassen Sachen lagern können und somit das Innenzelt, in dem wir schlafen, frei von Dreck bleibt.
Während ich mit dem Gaskocher Nudeln koche, geht Fiona frisches Wasser aus dem See holen. Wir genießen meinen Geburtstagsabend mit Pasta und einem Schoko Dessert Trekkingnahrung und können unser Glück kaum fassen – wie schön ist es hier bitte und kein Mensch außer uns ist hier. Empfang gibt es ebenfalls keinen.
Trekkingnahrung
Beim Thema Essen haben wir lange überlegt, was für uns am meisten Sinn macht und uns schließlich für eine Kombination aus Trekkingnahrung von Trek n‘ Eat (https://www.trekneat.com/de/de), Spaghetti und Dosensoße, Energieriegeln, Nüssen und Trockenfrüchten entschieden. Die Trekkingnahrung gibt es beispielsweise bei Globetrotter online zu bestellen oder beim Outdoor-Fachhändler. All das nimmt im Rucksack vergleichsweise wenig Platz weg und liefert schnell viel Energie. Pro Person haben wir sechs Tüten der Trekkingnahrung dabei. Zum Frühstück gibt es jeden Tag Proteinporridge mit etwas Knuspermüsli, welches sich ebenfalls leicht mit heißem Wasser zubereiten lässt.
Nach dem Abwasch mit Naturspülmittel und Zähneputzen, fallen wir völlig fertig und happy ins Zelt. Immerhin haben wir heute 1000 hm, was für uns eine mittlere Bergtour bedeutet, mit 16 kg Zusatzgewicht überwunden.
Die Nacht über regnet es leider durch und viel Schlaf bekommen wir beide nicht ab. Es ist eine Kombi aus dem Ungewohnten, der Helligkeit und dem lauten Rauschen des Wasserfalls neben uns. Außerdem ist es schweinekalt wir kuscheln uns nachts eng zusammen.
Tag 2 – vom Besseggen nach Memurubu
Wir wachen morgens mittelmäßig gut erholt auf und hören nach einigen Minuten bereits Stimmen von draußen. Die ersten Tageswanderer laufen schon auf dem Besseggen-Grat entlang. Im Zelt machen wir uns ein wenig frisch, packen unser Zeug zusammen und schließlich auch das Zelt an sich. Wir sind begeistert, denn das Okisba ist das erste Zelt, das wir abbauen, dessen Packsack tatsächlich groß genug für seinen Inhalt ist.
Mit unserem Hab und Gut am und im Rucksack verstaut auf dem Rücken führt uns unser Weg weiter am Besseggen entlang. Wir feiern zum ersten Mal dieses Freiheitsgefühl, morgens loszulaufen und alles, was man in seinem gemütlichen Camp so ausgebreitet hatte, nun wieder bei sich zu haben. Anstatt direkt am See Bessvatnet entlang zu laufen, wie der klassische Weg die vielen anderen Wanderer leitet, nehmen wir einen Trampelpfad links und steigen ein kleines Stück auf den Hügel hinauf, von dem aus wir eine großartige Aussicht über den See Gjende genießen können. Die Sonne scheint, der See erstrahlt in ganz neuen Blautönen und wir können hier oben ganz alleine unser Frühstück genießen.
Auf unserem weiteren Weg begleiten uns sehr viele Tagestouristen und noch mehr kommen uns entgegen. Die meisten Leute nehmen morgens ein Boot von Gjendesheim nach Memurubu und laufen von dort aus den Besseggen in die andere Richtung nach Gjendesheim zurück. Wir finden natürlich unsere Richtung besser, da wir immer wieder spektakuläre Ausblicke von Weg hinab auf verschiedene Seen haben, ohne uns dabei umdrehen zu müssen.
Während wir euphorisch bei wunderbarem Wetter vor uns hinlaufen, erhaschen wir eine schöne Aussicht nach der nächsten, auf weitere Bergseen, vorbei an Wasserfällen und unberührter, rauer Natur. Wir machen jede Menge tolle Bilder, um uns lange an diese Anblicke erinnern zu können. In aller Ruhe genießen wir unseren Weg, wohlwissend, dass wir keine Termine einzuhalten haben, keine Buchungen, die verfallen könnten und ganz wichtig: kein Boot, das wir bekommen müssen. An uns hetzen Leute vorbei in Richtung Memurubu, die dringend das letzte Boot bekommen wollen, um dort nicht festzusitzen.
Der kleine Ort Memurubu ist schon von der Ferne zu erkennen. Durch ihn fließt ein wilder Fluss direkt in den See hinein und zeichnet dabei eine helle Farbe im sonst dunklen Wasser ab. Da wir uns beim Abstieg viel Zeit gelassen haben, sind alle Leute, die uns überholt hatten, bereits weg, als wir den Ort erreichen. Wir kehren dort auf der DNT Hütte ein, trinken einen leckeren Kaffee und essen eine noch leckerere Zimtschnecke. Die erste Hütte auf unserer Tour ist sehr gemütlich und modern zugleich und hat eine schöne Terrasse um draußen zu sitzen.
Da wir schon etwas geschafft von den ersten zwei Tagesetappen sind, jedoch noch einige Kilometer zurücklegen wollen, entschieden wir uns, entgegen unserer eigentlichen Planung, den Weg am Fluss entlang zu laufen, statt den Anstieg auf den nächsten Berg in Kauf zu nehmen. Fiona ist mit ihrer Kraft und Konzentration für diesen Tag schon am Ende und beim letzten Abstieg zwei Mal hingefallen. Auf komoot können wir sehen, dass der Weg am Fluss nach einigen Kilometern wieder hin zu unserer ursprünglichen Route führt. Wir wollen das Risiko nicht eingehen, am Anstieg am Berg keinen geeigneten flachen Campingspot zu finden oder oben am Berg zu sehr dem Wind ausgesetzt zu sein.
Lese-Tipp: Lust auf eine weitere Trekking-Tour in Norwegen? Unser Autor Thomas nimmt dich mit durch die Hardangervidda?
Da es auf dem weiteren Weg viel regnet, merken wir schnell, dass dies die richtige Entscheidung war und das Tal am Fluss entlang bietet eine wunderschöne verlassene Landschaft und eine willkommene Abwechslung zum Hochgebirge die Tage zuvor. Wie wir am nächsten Tag feststellen sollten, war es sogar eine sehr gute Entscheidung, diese Bergetappe auszulassen.
Wir finden nah am Weg zwischen ein paar Büschen in einer geschützten Stelle einen gemütlichen Zeltplatz, bauen unser Zelt auf und dazu kommt sogar die Sonne raus. Diese Gelegenheit nutzen wir beide direkt, um im Fluss zu baden. Man kann ja nie wissen, wann sich das nächste Mal eine gute Chance für ein Bad in der Natur auftut. Da das Wasser eiskalt ist, ist es eine schnelle Nummer. Mit Naturseife waschen wir uns und fühlen uns danach super frisch. Ein warmes Essen und der Sonnenuntergang hinter dem Berg machen unseren Abend perfekt und wir genießen unsere zweisame Einsamkeit ohne Handyempfang.
Tag 3 – von Memurubu nach Gjendebu
Obwohl es wiedermal die ganze Nacht geregnet hat, haben wir richtig gut geschlafen. Als wir morgens aufwachen ahnen wir nicht, dass wir die bisher schwierigste Etappe vor uns haben. Wir wollen einen Moment abwarten, ob der Regen nicht doch noch abflacht, um das Zelt zusammenzupacken. Er wird jedoch nicht schwächer. Als wir schließlich schon gefrühstückt und alles zusammengepackt haben, hilft es nichts. Wir müssen raus und das Zelt abbauen. Regenschutz über die Rucksäcke, Regen-Vollmontur über uns und los geht’s. Bereits nach kürzester Zeit sind wir komplett durchnässt und auch die besten Regenklamotten können dem nicht mehr standhalten. Auch das Zelt wird beim Zusammenlegen von allen Seiten komplett nass und ist damit auch nochmal ordentlich schwerer beim Tragen am Rucksack, als in trockenem Zustand.
Der Wind und die Kälte kommen als unangenehme Umstände noch zum Regen und der Nässe dazu. Wir laufen den Fluss entlang und schließlich den Berg hinauf. Wir dachten, wir können dem Anstieg durch unsere Routenänderung entgehen, haben uns dabei allerdings getäuscht. Heute fällt das Laufen besonders schwer. Liegt es an der Kälte, dem Regen, dem schweren Zelt? Alles zusammen?
Im Gebirge wird dann der Regen noch intensiver, unsere Hände sind richtig kalt und von der Nässe aufgequollen, als wäre man zu lange in der Badewanne gesessen. Auch Handschuhe wärmen uns nicht mehr, da diese nach kürzester Zeit auch komplett nass sind. Wir können unsere Finger kaum mehr bewegen. Als wir an einem Punkt am Berg kurz Netz finden, verkriechen wir uns hinter einem großen Felsen, um uns wenigstens ein bisschen vor dem Regen zu schützen, und versuchen, mit unseren kalten Händen ein paar Nüsse und Cornys zu essen. Ein kurzer Videoanruf bei den Eltern, da die Finger nicht tippen können, und weiter geht’s, sonst kühlen wir zu sehr aus.
Der weitere Weg ist ziemlich felsig und wir können uns bei diesem Wetter nur ausmalen, wie schön der Blick auf die umliegenden Gebirge wohl gerade sein muss. Über einige Schneefelder hinweg erreichen wir den höchsten Punkt des Berges und haben sogar etwas Sicht. Wir erblicken das Ende des Sees und unser heutiges Ziel: Gjendebu. Einen kurzen Moment sind wir trotz Wind und Regen überglücklich! Wir haben es hier hoch geschafft, wir haben fast das Ende des Sees erreicht, die Aussicht ist überwältigend und die Natur, trotz ihrer Widrigkeiten, einfach wunderschön!
Erst führt der Weg schräg die Klippe hinunter, immer recht steil am Abgrund entlang in Richtung See hinunter. Wir machen jeden Schritt mit Bedacht und sind sehr konzentriert, mit unseren schweren Rucksäcken nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Wanderstöcke als zusätzliche Balance und Stütze helfen wirklich sehr.
Wir haben Glück, der Regen hört auf, bzw. wird etwas schwächer. Weiterhin treffen wir auf unserem Weg keine Menschenseele an. Je weiter wir uns den Berg hinab wagen und je näher wir an den See kommen, desto extremer werden die Wege. Als wir an die erste Stelle mit steilen, nassen Felsen gelangen, sehen wir uns beide an und teilen direkt den gleichen Gedanken: Wenn unsere Mütter wüssten, wie gerechtfertigt ihre Sorgen um uns tatsächlich sind…
Normalerweise sind solche Stellen kein Problem, da wir schwindelfrei sind und im Sommer bei guten Konditionen in den heimischen Bergen schon schlimmere Dinge gemacht haben. Jedoch nicht mit einem 16 kg Rucksack auf dem Rücken, mitten in norwegischen Gebirgen, ohne Netz und niemand weiß, wo wir gerade sind.
Es hilft alles nichts, wir müssen den Berg hinunter. Ich steige vor und rede Fiona bei ihrem Abstieg gut zu, koordiniere, wo sie hintreten kann, um einen sicheren Stand zu haben. Irgendwann entwickeln wir eine regelrechte Routine. Die Stöcke bleiben bei Fiona, ich gehe vor, nehme die Stöcke entgegen, sie kommt nach.
Die Abschnitte werden steiler und es kommen Ketten hinzu, an denen man sich herunterlassen kann. Jedes Mal, wenn wir eine Kletterstelle überwunden haben, denken wir, wir hätten es geschafft. Doch nach 20 Metern kommt die nächste extreme Stelle. So geht das bestimmt zwei Stunden lang und wir werden langsam müde, vor allem im Kopf. Jetzt kann das dann gerne aufhören und wieder normale Wege kommen.
Schließlich erreichen wir doch noch den See und sind überglücklich, die schwierigen Stellen bei Nieselwetter geschafft zu haben. Das Ufer des Gjende ist umgeben von einigen Bäumen, die zusammen mit Farnen und bunten Blumen fast schon einem Dschungel anmuten. Wir folgen dem nun verhältnismäßig moderaten, matschigen Weg einige Kilometer am Flussufer und erreichen schließlich unser sehnlichst erwartetes Tagesziel Gjendebu. Fiona hatte sich den mühsamen Abstieg über stets einen breiten Feldweg gewünscht, der einfach nur flach dahingeht. Und tadaa: Da ist er! Von der Anlegestelle aus führt er die letzten Meter in das DNT-Örtchen Gjendebu.
Info: An jedem Ort am See Gjende legt mehrmals am Tag ein Schiff an, mit dem man zurück nach Gjendesheim fahren kann.
Wir sind erleichtert, unversehrt wieder etwas näher an der Zivilisation zu sein und buchen uns eine Nacht auf der Hütte. Der Gedanke, noch eine regnerische Nacht im Zelt zu verbringen und unsere Sachen, allen voran Klamotten und Zelt, nicht trocken zu bekommen, ist einfach ätzend. Deswegen entscheiden wir uns für ein warmes Bett in einem Sechser-Schlafsaal in einer kleinen Hütte direkt am Seeufer. Wir haben richtiges Glück, denn trotz Hochsaison sind wir die einzigen beiden Gäste in diesem Schlafsaal. Vor unserem Zimmer gibt es noch eine Art Aufenthaltsraum mit Küchenzeile, Tischen, Stühlen uuuund: einem Holzofen. Draußen im Gang gibt es auch eine große Kiste mit staubtrockenem Holz. Fiona zögert nicht lang und heizt ordentlich ein. Innerhalb kürzester Zeit erreicht der Raum saunaähnliche Temperaturen. Obwohl wir unsere Sachen direkt nach unserer Ankunft im Trockenraum mit den miefigen Sachen der anderen Wanderer aufgehängt haben, sind wir der festen Überzeugung, dass sie in unserer privaten Sauna besser trocknen. Also holen wir alles und trocknen es die Nacht über an der Wärme bzw. Hitze des Ofens. Die Gelegenheit ist auch super, um noch ein paar Klamotten mit Naturseife im See zu waschen und diese auch noch vor unserem Aufbruch am nächsten Tag trocken zu bekommen.
Wir sehen uns in der Hütte etwas um. Es gibt hier Lebensmittel zu kaufen. Die Auswahl ist jedoch bescheiden und die Preise recht stolz. Wir sind froh um unsere Entscheidung, unsere gesamte Verpflegung von Anfang an dabei zu haben.
In unseren warmen Betten schlafen wir ausgezeichnet und tanken neue Energie für die nächsten Tage. Die Übernachtung auf der Hütte kostet uns 380 NOK pro Person, was ca. 33 Euro entspricht.
Tag 4 – von Gjendebu nach Torfinnsbu
Aufgrund des letzten langwierigen Abstiegs haben wir das Gefühl, nicht besonders gut in der Zeit zu liegen auf unserer Tour. Deswegen klingelt unser Wecker um 6 Uhr und um 7 Uhr brechen wir auf. Hochmotiviert und mit trockenem Equipment!
Wir laufen am Ende des Sees entlang, durch einen kleinen idyllischen Wald und erreichen einen Fluss. Der Aufstieg auf den nächsten Berg kommt recht schnell und steil, zuerst auf normalen Wegen und endet dann schließlich in einem Felsenmeer, auf dem der Weg schwer zu erkennen ist. Uns ist etwas mulmig beim Betreten. Der Gedanke, dass ein loser Felsen eine ganze Stein-Lawine auslösen könnte, beunruhigt uns. Wir versuchen, uns auf andere Gedanken zu bringen und genießen zumindest das schöne, sonnige Wetter.
Als wir oben am Berg angelangt sind, finden wir auf einem Felsen an einem Bach einen schönen Frühstücksspot, machen uns dort gemütlich unser letztes Porridge und genießen ein letztes Mal die Aussicht auf den See Gjende und die Ruhe der Berge. Auch auf unserer weiteren Tagesetappe hält das Wetter gut. Wir überqueren nach einer Weile einen Fluss und sehen in der Ferne eine Rentierherde. Wir haben sie schon sehnlichst erwartet, da sie sich durch ihre Hinterlassenschaften auf dem Weg schon angekündigt haben.
Die Landschaft ist wunderschön gebirgig, es gibt hier oben immer wieder Schneefelder zu sehen. Der Nebel hängt an den Bergspitzen und wir passieren einen Bergsee nach dem nächsten, während wir unzählige Felsen überqueren. Nach einem guten Stück und ca. fünf Stunden Fußmarsch, sind wir uns beide einig, dass es sich jetzt doch etwas hinzieht. Wir haben eine weite Strecke zurückgelegt und freuen uns nun darauf, dass sich die Landschaft bald wieder verändert.
Nachdem wir ca. 1 ½ Tage lang kein Netz hatten und unser letzter Kontakt nach Hause mit der Nachricht endete, dass das Wetter aktuell sehr schlecht ist, haben wir unsere Handys auf laut gestellt, um mitzubekommen, wenn wir wieder Empfang haben. Mitten auf einem Schneefeld kam schließlich das ersehnte „BING“ und wir telefonieren direkt mit unseren Eltern und Partnern, um Entwarnung zu geben.
Ein kleines Stück weiter bereiten wir auf einer Anhöhe mit Blick auf den neuen See Bygdin, einen wilden Fluss und einen majestätischen Berg unser Mittagessen zu. Der Abstieg zum See verläuft dann relativ sanft über Wiesen und humane Wege hinweg. Recht schnell gelangen wir zu unserem heutigen (Mindest-)Tagesziel Torfinnsbu. Hier holt uns das Wetter schließlich wieder ein und es beginnt erneut zu regnen. Wir laufen ohne Einkehr weiter am See entlang, fest entschlossen, ein paar weitere Kilometer hinter uns zu bringen. Durch den Regen sind alle kniehohen Büsche, die seitlich am schmalen Pfad wachsen, klitschnass. Jedes Mal, wenn wir mit unseren Beinen an ihnen entlang streifen, läuft uns das Wasser das Bein hinab direkt in die Schuhe.
Gegen 20 Uhr finden wir schließlich einen wunderschönen Zeltplatz auf einer kleinen Anhöhe mit tollem Blick über den See und auf das Gebirge, das wir am nächsten Tag durchqueren werden. Beim Aufstellen des Zelts haben wir Glück und der Regen hört auf. Der Wind haut jedoch ordentlich rein und wir müssen den großartigen Blick mit etwas Durchzug bezahlen.
Pünktlich zum Abendessen kommt jedoch die Sonne heraus und wir können unsere Trekkingnahrung mit den abendlichen Sonnenstrahlen genießen. Wir sind total positiv davon überrascht, wie gut das Zelt den starken Wind abhält und wir können eine ruhige Nacht verbringen.
Tag 5 – von Torfinnsbu zum Ufer-Campingspot am See Bygdin
An Tag 5 freuen wir uns morgens über Sonnenschein und den herrlichen Ausblick über den See aus unserem Zelt heraus, was unsere Motivation für den Tag eindeutig ordentlich pusht.
Ein provisorisches Frühstück aus Trockenfrüchten und Knuspermüsli ohne Porridge später (weil wir vergessen hatten, auf der Hütte Haferflocken zu kaufen), laufen wir los und füllen unser Wasser am Fluss auf. Unser letzter Anstieg der Tour beginnt mit ruhigen Wiesenwegen und mündet in einer steinig-felsigen Landschaft. Wir sind eine Schleife in Richtung des Sees Bygdin gelaufen und sind nun auf der anderen Seite der Berge, weswegen die Landschaft sehr ähnlich zu der vom Vortag ist.
Es gibt wieder einen Bergsee und viele viele Matschfelder. Wir wandern noch ein kleines Stück und schließlich bietet sich uns eine großartige Aussicht über den hinteren Teil des Bygdin und das gesamte Tal inklusive der dahinter liegenden Berge. Es ist der erste richtige Weitblick, den wir auf unserer Tour haben und uns überkommen direkt Glücksgefühle.
Wir suchen uns hier oben einen windstillen Fleck hinter einem Felsen und beschließen Mittag zu machen. Es gibt vegane Bolognese aus der Tüte. Mhhh! 😉 Gerade am Essen blicke ich auf und traue meinen Augen kaum: Eine ganze Rentier-Herde hat sich ohne Laut an uns herangeschlichen und grast nun direkt vor uns. Wir verhalten uns ganz ruhig und beobachten die friedlichen Tiere. Sie bemerken uns nach kurzer Zeit ebenfalls und Verunsicherung macht sich in der Herde breit. Sie treten einen langsamen Rückzug an und beäugen uns dabei skeptisch.
Gut gestärkt laufen wir weiter den Wegmarkierungen hinterher. Wir gelangen schließlich an einen Fluss und starten, ohne uns groß Gedanken darüber zu machen, direkt damit, ihn zu überqueren. Immerhin ist das nächste rote „T“ auf der anderen Seite zu sehen. Bisher war keine Überquerung ein Problem und ich war schon ganz verblüfft, wie die Steine jedes Mal genauso im Gewässer verteilt sind, dass man problemlos darüber laufen kann. Aber nicht dieses Mal. Der Fluss ist an einer Stelle etwas reißender und wir finden bestimmt 15 Minuten lang keinen Weg auf die andere Seite. Bei mir macht sich zum ersten Mal Frustration breit. Ich suche und suche finde einfach keine gute Möglichkeit. Während ich weiter mein Glück versuche, zieht Fiona bereits ihre Wanderstiefel aus und tauscht sie gegen ihre Adiletten ein. Ich tue es ihr gleich. Vorsichtig stapfen wir durch den Fluss auf die andere Seite. Die Adiletten sind tatsächlich etwas auf unserer Packliste, was wir nicht missen wollen würden. Nach kurzem Abtrocknen geht es weiter über die ebene Wiese.
Wir laufen immer geradeaus und verlieren irgendwann die „T’s“ und damit auch unseren Weg aus den Augen. Mithilfe von komoot finden wir ihn aber zum Glück schnell wieder. Als wir in Richtung See durch kleine Büsche und zahlreiche Matschfelder absteigen, realisieren wir langsam, dass sich unser Abenteuer dem Ende zuneigt. Wir sehen auf komoot, dass uns nur noch 9 Kilometer unseres 63 km-langen Treks fehlen und beschließen, uns demnächst einen schönen Zeltplatz für die Nacht zu suchen.
Auf einem kleinen Hügel in Richtung See entdecken wir eine ebene Fläche, die wie für uns gemacht erscheint. Als wir schließlich dort stehen, entdecken wir aber eine kleine einsame Bucht direkt am See, die vom Weg aus nicht zu erkennen ist und geradezu danach schreit, dass wir dort unser Nachtlager aufschlagen. An einer alten Lagerfeuerstelle finden wir noch ein paar Scheite Brennholz, die zu unserer Verwunderung trotz des Dauerregens der letzten Tage sehr trocken sind. Das bringt uns natürlich auf die Idee, es uns heute Abend am Feuer gemütlich zu machen. Auch rund um die Bucht finden wir jede Menge trockenes Holz. Wir schlagen unser Zelt auf den Steinen auf und ich baue eine kleine Feuerstelle. Fiona sammelt noch weiteres trockenes Kleinholz. Sehr vorsichtig zünden wir unser kleines Lagerfeuer an. Da der Wind sehr stark ist, brennt das trockene Zeug super schnell an. Die „Waldbrandgefahr“ ist uns dabei natürlich im Hinterkopf und wir halten das Feuer sehr klein. Da wir allerdings auf Steinen, direkt am Wasser und nicht in der Nähe von Bäumen oder Büschen Feuer machen, haben wir keine Bedenken, etwas zu entflammen, was nicht brennen sollte.
Wir genießen einen gemütlichen Abend und unser einziger komplett trockener Tag endet direkt, nachdem wir ins Zelt gekrochen sind. Es beginnt wiedermal in Strömen zu regnen.
Tag 6 – letzte Etappe nach Fondsbu
Mit der Gewissheit, nur noch ein paar letzte Kilometer vor uns zu haben, essen wir morgens die Reste unseres Frühstücksbeutels im Zelt, packen in Ruhe zusammen und bauen ab.
Langsam haben wir (vor allem mental) unsere Grenzen erreicht, da die Hygiene aufgrund des kalten Wetters der letzten Tage etwas leidet. Wäre es super schönes sonniges Wetter und man könnte jederzeit in den See hüpfen, könnten wir locker noch eine Woche dranhängen. So sind wir jedoch alles in allem froh, dass ein Ende in Sicht ist.
Zunächst laufen wir eine Weile am Steinstrand entlang, da wir den Weg durch’s Gebüsch nicht erkennen. Irgendwann finden wir dank komoot den Weg neben dem Strand doch noch und wechseln auf ihn. Unterwegs gibt es kurz Empfang und wir schreiben unseren Liebsten ein paar Nachrichten. Beim Antritt unserer Reise gingen wir davon aus, durchwegs gutes Netz zu haben. Spätestens ab der Hälfte wurden wir eines Besseren belehrt. Es ist allerdings eine willkommene Abwechslung, die Natur ganz ohne Ablenkung aus der restlichen Welt zu genießen.
Ein von Fiona ersehntes Highlight der letzten Etappe ist ein Wasserfall direkt am Weg. Wir steigen durch ein paar Büsche zu ihm hinauf und machen dort Mittag. Es gibt Nudelsuppe, direkt aus dem Wasserfall 😉 Trotz des Windes saugen wir jede Minute Sonnenschein in uns auf und sind dankbar für einen richtig schönen letzten Tag auf unserem Abenteuer.
Die letzten Kilometer vergehen wie im Flug und fühlen sich kein bisschen mühsam an. Das Gewicht des Rucksacks ist kaum mehr zu spüren und Leichtigkeit macht sich breit. Der Weg ist zwar ab und zu etwas matschig, aber viel angenehmer zu laufen, als die zahlreichen Geröllfelder, die wir zuvor überquert haben.
Statt einer warmen Dusche auf der Hütte entscheiden wir uns spontan zu einem letzten kalten Abstecher in den See, um uns etwas frisch zu machen. Auch wenn es jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung ist, in das eiskalte Wasser zu hüpfen, und das auch noch bei vergleichsweise schlechtem Wetter und niedriger Temperatur, ist das Gefühl danach einfach unbezahlbar und einem ist plötzlich wieder völlig warm.
Einfach glücklich und übermannt von unseren Gefühlen, ziehen wir uns wieder an und treten unsere letzten Meter an. Wir erkennen aus der Ferne bereits die kleinen süßen Häuschen, die zu einem Dorf versteckt in der Landschaft zusammenstehen. Es ist kein Dorf wie bei uns in Deutschland, mit Teerstraßen und aufgereihter Ordnung, sondern viel viel weitläufiger und mitten in der Ortschaft gibt es sogar einen kleinen Wasserfall. Wir fragen uns, wer hier wohl wohnt und ob hier überhaupt jemand wohnt, weil vor keinem Haus ein Auto zu sehen ist. Lediglich ein paar Wanderer durchstreifen das Dorf.
Das Wasser des Bygdin wird von der Sonne erhellt und strahlt unnatürlich blau. Wir sind ein letztes Mal total überrumpelt von der Schönheit der unberührten Natur Norwegens. Die DNT-Hütte in Fondsbu müssen wir nicht lange suchen. Sie scheint der Mittelpunkt und Versammlungsort des kleinen Dorfes zu sein. Hier sitzen die Leute draußen in der Sonne und genießen ihren Kaffee.
Wir fragen zwei Wanderer, ob sie ein Bild von uns machen können. Alle sind wie immer super freundlich und glücklich. Drinnen in der Hütte herrscht reges Treiben. Eine Horde blonder Kinder tobt durch die Gaststube. Die Atmosphäre dort fühlt sich eher an, als wäre man in einem Wohnzimmer eines guten Freundes, statt in einer Wirtschaft. Alle sind entspannt, zufrieden und es herrscht keine Hektik. Wir schauen uns das Geschehen eine Weile lang an, während unsere Handys laden und genießen dabei einen Kaffee und eine Zimtschnecke, von der ich schon seit Anfang des Tages träume (und Fiona damit zulabere). Ich habe Glück und ergattere die letzte. Sie ist mit Abstand das Beste, das ich seit langem gegessen habe.
Mit frisch aufgeladenen Akkus (der Handys und unserer eigenen) machen wir uns in der Garderobe wieder ran. Wir erwischen wie so oft die einzigen 10 Minuten, in denen es regnet, um loszuziehen. Wir wollen sehr nah an dem Ort zelten, um am nächsten Morgen nicht zu weit zum Bus laufen zu müssen. Wir laufen auf gut Glück geradeaus zur Tür hinaus und landen auf einer Grünfläche, die von kleinen Bächen und Büschen durchzogen ist.
Mein deutscher Instinkt sagt mir, nicht allzu nah am Ort und an den Häusern zu zelten – es könnte sich ja jemand gestört fühlen. Zur Sicherheit google ich sogar noch „Zelten in der Nähe von Ortschaften in Norwegen“. Wir sind hier aber nicht in Deutschland. Hier stört sich niemand daran. Wir sind wiedermal ganz alleine an unserem schönen Campingplatz.
Da uns die Motivation verlassen hat, weiter zu laufen, lassen wir uns in Sichtweite der Häuser direkt an einem kleinen Bach nieder und schlagen unser Zelt auf. Ein letztes Mal gibt es köstliches Trekking-Futter (Jägertopf) zu essen. Diesmal ist es sogar wirklich köstlich. Wir versuchen, jede Minute unseres letzten Abends zu genießen.
Nach dem Abspülen und Zähneputzen direkt am Bach, fallen wir fertig und glücklich ins Zelt. Die letzte Nacht ist vom Schlaf her leider keine gute und so mache ich kaum die Augen zu. Ich probiere Fionas Matte aus, welche nicht isoliert ist, und die Kälte kriecht geradezu vom Boden an meinen Körper. Mich überkommt etwas Mitleid für sie. Die ganze letzte Woche musste sie so schlafen.
Am nächsten Morgen bauen wir bereits etwas wehmütig zum letzten Mal das Zelt ab und packen alles zusammen in unsere Rucksäcke. Ein letztes Mal dieses Freiheitsgefühl: alles kompakt beisammen, was man braucht.
Wir laufen nur wenige Meter zur DNT-Hütte, wo wir zu unserem Glück gerade noch rechtzeitig zum Frühstück eintrudeln. Die sehr freundliche Mitarbeiterin weist uns darauf hin, dass um 10 Uhr eigentlich Schluss ist mit dem Buffet, sie die Küche aber bittet, es extra für uns noch ein paar Minuten länger stehen zu lassen. Dankbar bedienen wir uns reichlich am köstlich aussehenden Angebot und genießen unser reichhaltiges Frühstück in der gemütlichen Gaststube. Als wir fertig sind, dauert es nicht mehr lange, bis unser Bus kommt.
Der Bus fährt an diesem Tag zwei Mal von Fondsbu nach Oslo. Wir entscheiden uns für die frühere Variante mit zwei Umstiegen, um einigermaßen zeitig nach Oslo zu kommen und unser Hotelzimmer inklusive heißer Dusche und bequemen Bett genießen zu können, bevor unser Flieger am nächsten Tag gleich in der Früh abhebt.
Auch bei den Busfahrern zeigt sich wieder die norwegische Freundlichkeit: als einzige Fahrgäste im ersten Bus werden wir mit einem Lächeln und gebrochenem Englisch begrüßt. Sogar unsere Rucksäcke nimmt uns der Busfahrer ab und verstaut sie im Bus. Wir holen etwas Schlaf nach und nach sechs Stunden Fahrt, in denen wir von strahlendem Sonnenschein bis zu weltuntergangsmäßigen Regenströmen wieder alle Wetterlagen miterleben und die überwältigende Landschaft Norwegens noch ein letztes Mal genießen können, erreichen wir Oslo.
Schon beim Ausstieg fühle ich mich direkt unwohl in der Stadt, zwischen Beton und Menschenmassen und bin froh, als wir nach 15 Minuten Fußweg unser Hotel erreichen und unser persönliches Wellnessprogramm nach einer Woche Wildnis beginnt: eine ausgiebige Dusche und ein super kuscheliges Bett.
Am nächsten Morgen nehmen wir den Flughafentransfer (Flybussen) für ca. 16 Euro pro Person direkt vom Hotel. Er fährt stündlich und wir können das Ticket online buchen. Für uns ist es die bequemste und gleichzeitig günstigste Option. Ansonsten hätten wir wohl einen Uber bestellt. Mit dem Flug nach Hause endet schließlich unser großes Trekking-Abenteuer in Norwegen.
Mein Fazit
Eine unvergessliche und intensive Woche in norwegischem Gebirge
Nach sechs Tagen Trekking sind wir uns einig: Das müssen wir unbedingt wiederholen! Wir sind mit vielen ungewissen Faktoren gestartet, hatten eine etwas chaotische Planung und wussten nicht wirklich, was auf uns zukommen würde. Für uns beide war es die erste Reise nur mit Zelt und Rucksack. Auf den ersten Metern dachten wir, wir könnten es niemals schaffen, mit ca. 16 kg auf dem Rücken eine Woche lang zu wandern. Als wir schließlich irgendwann das Gewicht auf unserem Rücken vergessen hatten, konnten wir uns voll und ganz auf die Natur und unsere Einsamkeit einlassen. Das Freiheitsgefühl dabei, nahezu keiner Menschenseele zu begegnen, sein Zuhause für die Nacht frei in einer wunderschönen Landschaft wählen zu können und alles bei sich zu tragen, was man täglich benötigt und somit völlig autark zu sein, ist einfach absolut unbeschreiblich. Es gab keine Sekunde, in der wir uns als zwei Mädels auf irgendeine Art und Weise unwohl gefühlt hätten, weder im Zelt noch unterwegs. Wir können also wirklich jedem, der auf der Suche nach einem großartigen Outdoor-Abenteuer ist, einen Trekkingurlaub in Jotunheimen sehr ans Herz legen. – Cheers, Fiona und Maria von der Tatonka Trekkin’ Crew
Packliste für 6-Tage Trekking-Tour
KLEIDUNG
- Regenjacke
- Regenhose
- Wanderstiefel
- Fleece-Midlayer
- Merinowoll-Shirt langärmlig (3x)
- Wandersocken (4x)
- Leggins (3x)
- Merinowoll-Shirts kurzärmlig (4x)
- Sport-BHs (3x)
- Mütze
- Dünnes Stirnband
- Handschuhe
- Adiletten
- Bikini
CAMPING
- Schlafsack
- Aufblasbare Isomatte
- Okisba 2-Personen-Zelt
- Cutlery Set
- Edelstahltopf
- Geschirrtuch
- Naturspülmittel + Bürste
- Tasse
- Gaskocher + Gaskartuschen
EQUIPMENT
- Schutzsack Universal
- Teleskop-Wanderstöcke
- Erste-Hilfe-Set
- Multitool
- Sitzmatte
- Schnelltrocknende Handtücher (2x)
- Trinkflaschen (2x)
- Packsäcke, Drybag
- Feuerzeug
HYGIENE
- Müllbeutel
- Naturshampoo
- Naturseife
- Zahnbürste, Zahnpasta
- Ibus, OBs
- Taschentücher
- Feuchte Reinigungstücher
- Kleiner Spiegel
NAHRUNG
- Trekking-Nahrung (6 Tüten pro Person)
- Tonnenweise Musliriegel (4 pro Person pro Tag)
- Nüsse (2 Packungen gemischt)
- Suppen, Nudeln, Reis, Fertigsaucen, Brot, Salami, Bananenchips
- Teebeutel
- Zartbitter Schoki
- Packung Nudeln
- Bananenchips
- Protein-Porridge
SONSTIGES
- Ausweis, Geld
- Powerbank
- Handy-Ladegeräte
- Krankenkassenkarte