Es schmatzt, es gluckst und es schmatzt. Ich stehe mitten im größten Moor Großbritanniens, dem Rannoch Moor. Hier wohnt niemand. Vor mir Weite, hinter mir Weite und dazwischen eine Reihe Fußstapfen, die auf dem feuchten moosigen Boden schon nach wenigen Minuten verblassen. Es ist Tag 5 meiner Trekking-Tour und ich bin unterwegs auf dem West Highland Way, quer durch Schottland, von Glasgow nach Fort Williams.
Aber gehen wir zurück an den Anfang. Vor genau fünf Tagen, am 2. August, begann in Glasgow das Abenteuer. Sieben Tage lang würde ich täglich etwa 20 Kilometer wandern, abends mein Tatonka-Kiruna Zelt irgendwo in den Highlands aufschlagen und morgens mit Blick auf endlos grüne Hügel aufwachen. Die Route: Milngavie – Drymen – Sallochy – Invernan – Tyndrum – Inveroran – Fort Williams.
Mit dabei als treuer Begleiter, mein Yukon 50+10 Trekkingrucksack von Tatonka. Selten ist mir das packen schwerer gefallen als vor dieser Reise. Ich wusste: jedes unnötige Gramm zu viel würde ich irgendwann entweder in den Füßen oder im Rücken spüren.
Schmalspur-Packen, oder: „Kill your Darlings“
- Das Rennen machte dann folgende Ausrüstung:
- 1 T-Shirt
- 1 Longsleeve
- 1 Fleecepullover
- 1 Hoodie für abends
- 2 Sport-BHs
- Pyjama und warme Socken für nachts
- eine kurze Trekkinghose (sehr optimistisch für Schottland, ich weiß. Sie kam auch tatsächlich nicht zum Einsatz)
- eine lange Trekkinghose (kleiner Tipp: am besten zusätzlich imprägnieren oder wachsen)
- 1 Paar Trekkingschuhe
- Flip-Flops
- Zelt, Schlafsack und Isomatte
- Kochgeschirr und Kocher
- Meine Kameraausrüstung (viel zu schwer, aber auf jeder Reise dabei)
Mit immer noch stattlichen 15 Kilogramm auf dem Rücken starte ich in Milngavie (zu schottisch: Millgaaai) den West Highland Way.
Sieben Tagesetappen, sechs Nächte und 165 Kilometer liegen vor mir.
Loch Lomond und seine Tücken
Die ersten vier Tagesetappen führen mich an einem langgestreckten See entlang, dem Loch Lomond. In seinem Westen: Dörfer, eine Straße, ausgebaute Wege. Im Osten: ein kleiner, steiler Trampelpfad am Seeufer. Mit kleinen Schritten stolpere ich den feuchten, steinigen Weg entlang, hüpfe über zu große Steine und bewundere den nassen Farn, der mich dicht umgibt. Ab und an blitzt der See durch die Bäume. Wären es nicht 17 Grad, ich würde denken, ich sei im Regenwald.
Wie ein Wunder taucht plötzlich wie aus dem Nichts eine kleine Holzhütte auf. „Tea and Coffee“. Ein kleines Paradies mitten im Nirgendwo. In dem kleinen Blockhaus drängen sich vier Wanderer. Zwei von ihnen habe ich bereits am ersten Tag in Milngavie kennengelernt. Ein schönes Wiedersehen. Gemeinsam staunen wir, wie gut nach vier Tagen Wildnis plötzlich Filterkaffee und Zitronenkuchen schmecken können und beschließen, die nächste Etappe gemeinsam zu laufen. Es sind auch Begegnungen wie diese, die den Trail zu einem tollen Erlebnis machen.
Mund zu beim Essen!
Midgets. Sie sind überall. Je schneller ich nach ihnen schlage, desto mehr tauchen vor mir auf. Ich koche sie mit, schlafe mit ihnen ein, finde sie in meinen Haaren. Das ist der Preis für Natur pur in Schottland. Hier am See ist es besonders schlimm. Und je weiter ich nach Norden wandere, desto dichter werden die Schwärme der kleinen schottischen Mücken, die so klein sind, dass sie problemlos durch herkömmliche Moskito-Netze schlüpfen können.
Nach vier Tagen entlang des Seeufers geht es dann so richtig rein in die Highlands. Und ich bin völlig hin und weg von den endlosen grünen Weiten und den sanften Hügeln rechts und links des Weges. Geselliger wird es nun auch: Schafe, wohin das Auge blickt.
Allerdings wird es auch nasser, von oben sowie von unten. Der moorige Boden in den Highlands lädt dazu ein, so richtig tief mit den Trekkingschuhen in ihm zu versinken. Und der Himmel öffnet jetzt regelmäßig seine Schleusen. In einem Hotel mitten im Nirgendwo – dem „Inveroran Hotel“ – finde ich einen Wanderer-Bar, die rustikales Essen, lokalen Whiskey und Hoffnung auf trockene Schuhe und Socken anbietet. Ein bisschen Luxus muss ja auch mal sein und der Zwischenstopp lohnt sich absolut.
Und endlich sehe ich auch den ersten Schottenrock. Sein Träger wohnt hier, mitten im Rannoch Moor in den Highlands, und genießt dort die Einsamkeit, wie er mir erzählt. Außerdem rät er mir, mich für die kommenden Tage besonders gut zu stärken. Das „Devil’s Staircase“ wartet auf mich, der steilste Anstieg des Weges…
Im „Treppenhaus des Teufels“
… der sich gottseidank als halb so wild entpuppt. Es geht zwar ziemlich steil etwa 280 Höhenmeter nach oben, doch dann ist es geschafft. Vielleicht war es doch eher ein kleiner Teufel, der dieses Treppenhaus baute. Oben angekommen belohnt mich ein unglaublicher Blick auf unzählige Hügelkuppen, vom Nebel umspielte Tannenwipfel und den lang gezogenen Wanderpfad, den ich noch vor mir habe. Mystisch! Auf genau diese Landschaften habe ich mich gefreut.
Am kommenden Tag heißt es dann schon: Endspurt. Die letzte Etappe des Weges bis nach Fort Williams zeigt noch einmal Schottlands ganze Schönheit. Die gesamten 24 Kilometer lang kann ich den Gipfel des Ben Nevis sehen, der mit 1300 Metern der höchste Berg Großbritanniens ist.
Zum Abschluss: Der höchste Berg Großbritanniens
Nach einer letzten Nacht im Zelt, endlich am Ziel, beschließe ich, besagten Ben Nevis zu besteigen. 1300 Meter. Easy, denke ich. Schließlich kenne ich die Alpen, bin Vulkane auf Kamtschatka bestiegen und klettern kann ich auch. Wie schwer können da 1.300 Meter sein?
Kurz: schwer. Nach etwa 700 Metern auf bequemen Steinstufen stehe ich plötzlich vor einem Haufen Steine. Ungeordnet und wackelig liegen sie vor mir. Und bis zum Gipfel sind es immerhin noch 600 Meter. Liebe Reisefans, solltet ihr jemals auf 700 Metern auf dem Ben Nevis stehen und euch denken: ich gehe jetzt wieder runter. – Tut es nicht. Der Ausblick lohnt sich! Und ist ein absolut krönender Abschluss des West Highland Way’s.
Scotland, it was a blast!
Ja, es war anstrengend. Und ja, ich war oft nass bis auf die Haut. Aber ich habe unendlich schöne Landschaften gesehen, die Ruhe der Highlands genossen und habe sieben Tage in lang meinen ganz eigenen Rhythmus fernab der Zivilisation gelebt.
Und ich weiß ziemlich sicher: ich würde es sofort wieder tun.