Dichter Nebel hängt über unserer kleinen Insel, als ich morgens aus dem Zelt krieche. Mit einer Tasse frisch aufgebrühtem Kaffee in der Hand sitze ich da und schaue zu, wie der Nebel sich langsam aufs Wasser zurückzieht und die ersten Sonnenstrahlen hindurch lässt. Ein neuer Tag auf unserer Yukonreise beginnt.
Meine Erinnerungen schweifen zu den letzten zwei Tagen zurück, die wir bei Andy Bassich und seiner Freundin Denise verbracht haben. Zusammen mit ihren 12 Schlittenhunden und aktuell 13 Welpen leben die beiden vollkommen autark und ohne Straßenanschluss am Ufer des Yukon: Sie ernähren sich von allem, was sie selbst auf ihrem Grundstück anbauen und was ihnen der Fluss und die Landschaft drum herum zu bieten haben.
Im Sommer werden Vorräte für den Winter angelegt. Es wird eingekocht, eingefroren, getrocknet oder geräuchert, um alles möglichst lange haltbar zu machen. Stolz gab Andy uns eine Führung über sein Grundstück. Für zwei Tage ließen uns die beiden an ihrem Leben teilhaben: wir packten mit an und im Gegenzug teilten sie ihr Wissen mit uns. So kontrollierten wir direkt am ersten Abend gemeinsam die Netze, die Andy am Morgen im Fluss ausgelegt hatte, und fanden dort dreizehn Lachse vor.
Zurück an Land wusch Denise die Fische im Fluss, während Andy uns geduldig zeigte, wie man diese korrekt ausnimmt und filetiert. Anschließend durften wir auch selbst Hand anlegen.
Zwei der Lachse grillten wir abends über dem Lagerfeuer. Der Rest der Filets sowie der Kaviar wurden geräuchert und die Innereien und Knochen für die Hunde eingekocht, somit wurde jeder Teil der Fische verwertet.
Am nächsten Tag stellten wir Messer mit Griffen aus Birkenrinde her. Unter Andys Anleitung wurde fleißig geschnitten, geklebt und geschliffen, bis am Ende des Tages jeder von uns ein an die eigene Hand angepasstes Messer mit passender dekorierter Lederscheide in der Hand hielt.
Nach dem Abbau der Zelte ging es am nächsten Tag weiter. Die Kanus wurden bepackt und wir machten uns auf in Richtung Circle. Unser Weg führte uns quer durch den Charles-Rivers-Nationalpark. Vorbei an Klippen, Sandinseln und kleineren Flüssen, die in den Yukon münden. Vollbeladen paddelten wir den Fluss entlang. Die Stille war beeindruckend, denn außer unserer monotonen, gleichmäßigen Paddelschläge und dem Pfeifen des Windes war nichts zu hören. Somit verlor sich jeder schnell in seinen eigenen Gedanken, genoss die Ruhe und die Zeit verging wie im Flug.
Zur Mittagspause trafen wir uns alle in der Mitte des Flusses. Mit Händen und Füßen hielten wir die Kanus zusammen und ließen uns als eine große Insel den Fluss entlang treiben, während wir uns mit Sandwichs stärkten. Das Highlight des Tages war jedoch der Braunbär, der seelenruhig das Ufer entlang trottete, während wir in unseren Kanus vorbei trieben.
Und nun sitze ich hier, schlürfe meinen Kaffee und sehe zu, wie die ersten Sonnenstrahlen des Tages dem Yukon ein magisches Glitzern verleihen. Ich kann es gar nicht glauben! Kann wieder einmal mein Glück kaum fassen, wie an dem Tag im April, als ich erfuhr, dass ich mit meiner Trekkin’-Crew-Story tatsächlich die Gewinnerin des Tatonka-Gewinnspiels geworden bin! Zwei Wochen Alaska mit Reisejournalist Dirk Rohrbach, der vor einigen Jahren mit einem selbstgebauten Birkenrindenkanu von den Quellseen in Kanada bis ans Beringmeer gefahren ist.
Nach dem Frühstück waschen wir unser Geschirr im Fluss, bauen die Zelte ab und verladen wieder alles auf den Kanus, darunter auch meinen Tatonka Yukon Trekkingrucksack. Heute stehen 50 Flusskilometer bis zum Slavens Roadhouse an, einer Blockhütte am Ufer des Yukons, die seit fast einhundert Jahren Jägern, Mushern, Reisenden und Goldsuchern eine sichere Unterkunft bietet. Von dort aus machen wir eine kleine Wanderung zur Coal Creek Dregde, einem alten verlassenen Goldbagger. Die Moskitos stechen erbarmungslos, doch der Weg lohnt sich. Verlassen mitten im Wald treibt der alte Schwimmbagger und in seinem Inneren sieht bis auf den Staub und den Rost alles so aus, als wenn seine Betreiber ihn gerade erst verlassen haben. Werkzeug liegt herum, alte Tiegel mit verschiedenen Ölen und Schmiermitteln und eine Teekanne steht noch auf dem Ofen. Ganze 3,2 Tonnen Gold wurden mit diesem Bagger innerhalb von 17 Jahren geschürft.
Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es am nächsten Morgen weiter. Von Circle trennen uns nur noch circa 100 Flusskilometer und an diesem Tag wollen wir circa 60 davon hinter uns bringen. Das ständige Wechselspiel aus Sonne und Regen trübt unsere Laune keinesfalls. Abends schlagen wir ein letztes Mal unsere Zelte auf einer kleinen Sandinsel mitten im Yukon auf und genehmigen uns noch einmal ein Bad im trüben Wasser, bevor wir gemeinsam am Lagerfeuer sitzend die Tage Revue passieren lassen. Der Tag verabschiedet sich mit einem wunderschönen Sonnenuntergang.
Nachdem wir am nächsten Morgen die letzten 40 km gepaddelt sind, kommen wir in Circle an. Von dort aus geht es nach einem Abschlussfoto wieder zurück nach Fairbanks, wo direkt die Vorbereitungen für den zweiten Teil unserer Reise beginnen.
Denn am nächsten Tage geht es bereits weiter in den Denali Nationalpark. Benannt ist der Nationalpark nach seiner Hauptattraktion, dem Berg Denali, der mit seinen 6194m seinem Namen, der in der Sprache der Athabascan Indianer „der Hohe“ bedeutet, alle Ehre macht. Er ist Teil der 1000 Kilometer langen Alaska Range, die mit ihren Bergen und Gletschern die Region dominiert.
Bei unserer Ankunft bietet Dirk an, unsere Zelte aufzubauen und somit haben wir am Abend direkt die Chance die Gegend um unseren Zeltplatz am Parkeingang ein wenig zu erkunden. Unsere Wanderung führt uns zum Horseshoe Lake, der von einer Gruppe Biber bewohnt wird. Wir bewundern ihre beeindruckenden Bauten und verharren still am Ufer, bis sich einer langsam nähert. Immer wieder taucht er unter und greift sich Nahrung vom Grund des Sees, die er anschließend an der Wasseroberfläche treibend verspeist. Durch das glasklare Wasser ist dies gut zu beobachten.
Mit dem Camperbus fahren wir am nächsten Tag weiter zum nächsten Campingplatz. Dieser liegt mitten im Nationalpark und somit sind wir mehrere Stunden mit dem Bus unterwegs. Wir haben Glück mit dem Wetter, der Denali zeigt sich den ganzen Tag in seiner vollen Pracht.
Wie gebannt starren wir alle aus dem Fenster, genießen die vorbeiziehende Landschaft und entdecken Karibus sowie Braun- und Schwarzbären am Straßenrand. Immer wieder halten wir, um Fotos von Tieren oder der wunderschönen Landschaft zu machen und unser Busfahrer versorgt uns ununterbrochen mit interessanten Fakten über den Park.
Angekommen am Wonder Lake-Campingplatz, bleibt noch ein bisschen Zeit für eine kleine Wanderung vor dem Abendessen. So machen wir uns auf den Weg zur Reflection Pond, wo sich der Denali – und die Bergkette um ihn – als perfekte Spiegelung auf der Wasseroberfläche zeigen.
Am nächsten Tag machen wir uns auf, um selbstständig in kleinen Gruppen den Park zu erkunden. Mit Bärenspray und wetterfester Kleidung ausgerüstet geht es los und schnell finden wir uns abseits der Wege wieder. Es regnet und mit jedem Schritt sinkt man knöcheltief in den mit Moos bewachsenen Boden ein, was das Laufen ein wenig erschwert. Um nicht zufällig einem Bären zu begegnen, der es sich im Gebüsch gemütlich gemacht hat, um sich vor dem heutigen Regen zu schützen, rufen und singen wir laut. So ganz aus der Nähe wollen wir lieber keinem begegnen. Außer ein paar Karibus und Schneehühnern erblicken wir jedoch nichts… zum Glück in diesem Fall.
Zwar sind die atemberaubenden Ausblicke heute hinter dichtem Nebel versteckt, doch auch so fesselt uns die Schönheit des Nationalparks! Wir genießen die Ruhe, naschen von den Blaubeeren, die auf dem Boden wachsen, und beenden den Tag mit einem Bad im Wonderlake, bevor wir uns müde ein letztes Mal in unsere Schlafsäcke einkuscheln. Am nächsten Tag bringt uns der Camperbus zurück zum Parkeingang.
Das Ende einer wunderschönen Reise nach Alaska! Zwei Wochen voller Wildnis, neuer Erfahrungen und Erlebnisse, die leider wie im Flug vergangen sind. Mit neu errungenem Wissen und geschlossenen Freundschaften im Gepäck kehre ich nachhause zurück.
Danke, liebes Tatonka-Team, dass ihr mir dieses einmalige Erlebnis ermöglicht habt! Ich hatte eine unvergessliche Zeit, auf die ich nun immer wieder lächelnd zurückschauen werde!