Ich bin Frederik und bin fünf Jahre alt. Zu meinem Geburtstag habe ich einen Tatonka Mowgli bekommen. Das ist ein echter, großer Trekkingrucksack für Kinder. Damit habe ich in den Sommerferien eine tolle Abenteuertour mit meinen beiden Schwestern Karolina (9) und Valentina (8) und meinen Eltern gemacht.

Frederik und seine Familie vor ihrem Zelt. Erstes mal ein Selfie machen.

Ende August fuhren wir nach Chamonix auf einen kleinen Campingplatz. Wir wollten die Tour du Mont Blanc machen. Die TMB ist ein Weitwanderweg, der auf knapp 200 Kilometern durch die drei Länder Frankreich, Italien und die Schweiz rund um den Mont Blanc führt. Wir starteten in Frankreich, in dem kleinen Örtchen Les Houches. Das große Zelt, in dem wir die letzte Nacht geschlafen hatten, konnten wir nicht mit auf die Wanderung nehmen, weil es viel zu schwer war. Nachdem es vom Regen in der letzten Nacht tropfnass war und bis zum Mittag einfach nicht trocknen wollte, stopften wir es einfach unter unser Auto. Papa hatte Angst, dass es im Auto verschimmeln würde, bis wir fertig mit unserer Runde waren. So ganz genau wussten wir nämlich nicht, wie lange wir auf der TMB unterwegs sein würden. Aber gerade das war spannend. Alles, was wir brauchten hatten wir in unseren großen Rucksäcken bei uns und so konnten wir jeden Tag soweit gehen, wie wir wollten und konnten dort schlafen, wo es am schönsten war.

Frederik schlafend im Zelt.

Unsere erste Etappe führte über den Col de Voza und war ganz schön anstrengend. Es war brütend heiß, ging nur bergauf und mein blauer Rucksack war zwar weich gepolstert, aber groß und schwer. Ich trug all meine Klamotten selbst und hatte außerdem noch meinen Kuschelesel, der seit meiner Geburt überall mit dabei ist, ein paar Müsliriegel, meine Wasserflasche und Gummibärchen für uns Kinder als „Wanderbenzin“ eingepackt. Es war schon verrückt: Das Laufen fiel uns jeden Tag ein bisschen leichter.

Frederik mit seinem Rucksack lachend auf einem Pfad des Weitwanderwegs Tour du Mont Blanc.

Wir kamen noch über viele Pässe, aber keiner war so schlimm wie der erste. Jeder Pass war anders. Es gab Pässe mit Wiesen, Pässe, auf denen fast nur Steine herumlagen, Pässe mit vielen Bächlein und welche, wo man sich vorkam wie im Urwald. Ich fand, mit jedem Pass, den wir überschritten, wurde die Tour schöner. Zum Übernachten hatten wir ein kleines, rotes Vier-Mann-Zelt dabei. Da wir aber zu fünft waren, war es im Zelt immer schön kuschelig und nicht ganz so kalt wie draußen. Obwohl wir August hatten, war es nämlich eisig in den Nächten. Nur anfangs war es etwas ungemütlich in dem Zelt zu schlafen, weil der Boden so hart war. Wir hatten nur zwei ganz dünne Isomatten aus Alufolie dabei, damit unser Gepäck nicht zu schwer wurde. Genau wie ans Laufen mit den schweren Rucksäcken, gewöhnten wir uns aber schnell an das Schlafen auf steinhartem Boden.

Weitwanderweg Tour du Mont Blanc - Frederik und seine Familie steigen zum Col de Bonhomme auf.

Am langersehnten Tag an dem wir von Frankreich nach Italien kommen sollten, mussten wir mal wieder über einen steilen Pass, den Col de la Seigne. Vor uns liefen zwei Wanderer aus Israel, die wir am Tag zuvor kennengelernt hatten. Plötzlich blieben die beiden stehen und beugten sich interessiert über etwas. Neugierig liefen wir zu ihnen und sahen, dass sie eine ganz kleine Babymaus in der Hand hielten! Sie war nicht größer als mein Daumen und hatte die Augen noch geschlossen. Wir Kinder waren sofort in sie verliebt. Obwohl wir lange nach der Mutter der Maus suchten, war sie nirgends zu entdecken. Deswegen gaben die Wanderer uns das Mäuschen. Es war so süß. Wir nannten sie Blanca, weil wir sie am Mont Blanc gefunden hatten und trugen sie abwechselnd in unseren Händen und wärmten sie. Das Wandern mit Blanca ging viel leichter und war auf einmal weniger anstrengend. Unsere Eltern sagten uns, dass das Mäuschen wahrscheinlich nicht überleben würde, weil sie noch so jung war und auf ihre Mutter angewiesen sei, aber wir glaubten an Blanca.

Die kleine Maus Blanca. Treuer Begleiter auf der Tour du Mont Blanc.

Glücklicherweise kamen wir später am Tag an einer Hütte vorbei und fragten dort nach etwas Milch. Zum Füttern tropften wir ihr mit dem Finger einige Tropfen davon aufs Mäulchen. Nachts war es zu kalt für sie im Zelt, darum nahm Mama sie in einem Joghurtbecher, den wir mit einem Schal
verschlossen, mit in ihren Schlafsack. Alle zwei Stunden fütterte Mama unsere Maus. Blanca hielt drei Tage durch! Am vierten Tag, als wir wirklich dachten, sie würde überleben und bald die Augen öffnen, starb sie leider. Wir waren alle sehr, sehr traurig.

Wir wollten unsere Maus nicht einfach irgendwo begraben. Deswegen trugen wir sie über den Grand Col de Ferret bis in die Schweiz. Dort begruben wir Blanca an einem wunderschönen Ort, wo sich ein kleines Bächlein über eine Wiese schlängelte und Wollgras wuchs. Viele Schafe liefen herum. Ohne Blanca weiterzugehen war nicht mehr so schön wie vorher.

Einige Tage später trafen wir eine koreanische Wandergruppe, die erst uns überholte, dann wir sie und immer so weiter. Alle waren sehr nett zu uns und wollten Fotos mit uns machen. Sie schenkten uns koreanische Süßigkeiten. Mit ihnen war ein sehr berühmter Mann unterwegs, Heo Young-ho, der schon ein paarmal den Mount Everest bestiegen hatte. Es war sehr lustig mit den Trekkern aus Korea zu laufen, auch wenn wir ihre Sprache nicht verstanden. Wir konnten nur auf Koreanisch bis zehn zählen, weil wir das im Taekwondo gelernt hatten. Das reichte aber völlig aus.

Frederik und seine Familie auf dem Weg zum Hotel Refuge des Mottets auf 1.864 Metern mit Weitsicht ins Tal.

Am Morgen unserer letzten Etappe sahen wir plötzlich überall bunte Fähnchen am Wegesrand. Es waren die Markierungen für den UTMB. Das ist ein bekannter Ultralauf, bei dem die Läufer die ganze Strecke der TMB an ein bis zwei Tagen rennen! Das konnten wir uns gar nicht vorstellen. Der Lauf startete ausgerechnet an dem Tag, an dem wir unsere Rundtour um den weißen Berg beendeten. Nach fast zwei Wochen hatten wir es tatsächlich geschafft und kamen wieder an unserem Auto an! Auch unser Zelt lag noch darunter – es war inzwischen allerdings braun und nicht mehr grün.

Überall war Partystimmung. Zuschauer aus aller Welt waren gekommen um den UTMB anzuschauen. Wir gingen zu einem Restaurant, wo es Kartoffeln aus einer riesengroßen Pfanne direkt neben der Straße gab. Alles schmeckte so lecker nach unserer langen Tour. Als die Läufer der UTMB bei uns in Les Houches vorbeikamen, klatschten wir sie ab und feuerten sie an. Am nächsten Tag gingen wir nach Chamonix, um die Ankunft der schnellsten Läufer im Ziel anzuschauen. Wir kamen auch am übernächsten Tag nochmal wieder, als die Letzten ins Ziel kamen. Das war ein aufregendes Erlebnis.

Wenn ich groß bin, möchte ich auch beim UTMB mitmachen. Dann muss ich nur einen kleinen Rucksack tragen.

Frederik und seine Geschwistern Karolina und Valentina.