Kennt ihr dieses Gefühl vor Antritt einer Reise? Die Spannung, Freude, Angst vor dem Ungewissen? Ich stehe mit meinem Yukon Backpack am Flughafen Köln und weiß, dass ich in ein paar Monaten genau hierher zurückkehren werde – nur wird die Person, die zurückkehrt, womöglich eine andere sein. Sie wird Dinge erlebt haben, die sie vorher nie für möglich gehalten hat. Sie wird lebensveränderte Begegnungen gehabt und Menschen getroffen haben, von deren Existenz sie vorher noch nicht einmal wusste. Sie wird einen weiteren Horizont haben als jetzt – das weiß ich ganz genau. Nur wie? Die Momente vor Antritt einer Reise sind immer etwas ganz besonderes.
Also los: ab in den Flieger. Ein bisschen merkwürdig ist es schon, diesmal bin ich alleine. Ich habe zwar schon viele Reisen hinter mir, doch diesmal ist etwas anders: Ich habe gerade mein Studium abgeschlossen und will während der Reise versuchen, mich mit meiner Leidenschaft zur Fotografie und mit einer Onlineplattform für Fotografietutorials zusammen mit verschiedenen Fotografen selbständig zu machen. Viel Geld ist nicht angespart. Was wird mich in den nächsten Monaten erwarten? Bin ich mit meiner gewohnt positiven Einstellung zu optimistisch? Werde ich versagen oder mein Vergangenheits-Ich stolz machen?
Das hier ist ein etwas anderer Reisebericht. Hier geht es nicht darum, jedes Reiseerlebnis so genau zu beschreiben, dass ihr es spüren könnt. Hier geht es auch nicht darum, meine Begeisterung über das Reisen und die Natur zu vermitteln. Vielmehr geht es um die Quintessenz meiner Erfahrung, wie sie mich verändert haben und was ich lernen konnte. Es geht um Persönlichkeitsentwicklung, Rückschläge und der Fähigkeit, mit dem zufrieden zu sein, was einem gegeben ist.
Erinnerungen in der Gegenwart
Wir spulen ein paar Monate vor. Ich sitze aufrecht in meinem Bett, tief in Gedanken über all die neuen Erinnerungen, die sich jetzt in meinem Kopf befinden. Es kommt mir vor, als hätte sie mir jemand eingepflanzt, als ob die Zeit, in denen sie entstanden sind, nur ein bunter Traum gewesen wäre. Kleine Details wie meine Narbe am Fuß und eine Festplatte voller Fotos von wunderschönen Orten und Momenten lassen mich das Gegenteil glauben. Auf meinem Bildschirm blickt mir mein glückliches Ich entgegen und ich lasse meine Gedanken für einen Augenblick von dem Film in meinem Kopf lenken, der von bestimmten Bildern oder Songs ausgelöst wird und mich durch Raum und Zeit sofort wieder in einen besonderen Moment hineinversetzt.
Ich sehe mich auf der Insel Java einen Vulkan bei Abend auf einem Pferd hinaufreiten, während ich den tiefen Donner des aktiven Vulkans spüre und der aufgeschleuderte Staub und Rauch für einen kurzen Moment die untergehende Sonne verdunkelt.
Im nächsten Moment springe ich von einem Boot vor den Komodo Islands und begegne unter Wasser einem stillen Giganten der Tiefe, den ich schon lange einmal treffen wollte – einem riesigen Mantarochen. Wir schwimmen eine Weile zusammen, drehen Runde um Runde. Ein weiterer Gigant gesellt sich zu uns und die beiden tauschen einen stummen Gruß aus. Ich merke, dass sich die Substanz des Wassers verändert und die Kraft des vor mir aufprallenden Wasserfalls, zu dem ich stundenlang durch dichten Dschungel gewandert bin, verschlägt mir schier die Sprache.
Als ich in nächstem Augenblick am Lagerfeuer sitze, brauche ich sie sowieso nicht mehr. Wir liegen zu viert am Strand unter Palmen, während wir versuchen, jeden Stern der aufgehenden Milchstraße zu erkennen und den Geräuschen der im Sand aufschlagenden Wellen zu lauschen, die als einziger Klang die Stille um uns herum perfekt durchbrechen. Ich sehe unzählige Sonnenaufgänge, spüre die Wärme der aufgehenden Sonne auf meiner bloßen Haut. Und ich sehe Menschen, deren Lebenswege sich nur zu diesem einen Zeitpunkt mit dem meinen gekreuzt haben.
Learnings für die Zukunft
Ich öffne meine Augen wieder und sehe der Gegenwart ins Gesicht. Was ist geblieben? Sind wir mal ehrlich: Zu schnell ist man wieder im eigenen Alltag gefangen und zu schnell geraten neu gewonnene Erkenntnisse in Vergessenheit. Doch hat sich im Inneren etwas verändert, so erkennt man im Unterbewusstsein neue Muster, die erst bei genauerem Hinschauen auffallen. Hier sind vier Erkenntnisse, die sich durch meine Reise bis in MEIN Unterbewusstsein eingebrannt haben:
- Social Media und Streben nach Anerkennung machen nicht glücklich
Während meiner Zeit in Südostasien war ich mit einigen Instagram-Fotografen unterwegs, die eine beachtliche Menge Follower aufweisen konnten. Hier soll eins gesagt sein: Lasst euch nie von Social Media täuschen. Komischerweise folgen die meisten Menschen dem Kredo: Höhepunkte des Lebens dürfen gerne geteilt werden, Tiefpunkte sind zu persönlich. Perfekte Leben, stets voller Reisen, Erfolgen und Abenteuern GIBT ES NICHT. Wir alle sind ganz normale Menschen, die versuchen glücklich zu sein. Und die Anerkennung von Zehntausenden Menschen für eine Hülle Deines Daseins wird Dir nicht helfen, dieses Ziel schneller zu erreichen.
- Nur weil Du Deine gesteckten Ziele nicht erreicht hast, heißt das noch lange nicht, dass Du versagt hast
Sind alle meine Hoffnungen und Ziele, die ich mir für die letzten Monate auf Reisen gesteckt hatte, in Erfüllung gegangen? Nein. Habe ich deshalb versagt? Umso weniger. Es sollte nicht nur um Erreichung der eigenen Ziele gehen. Vielmehr sollte man darauf achten, sich selbst ständig weiter zu entwickeln und aus vermeintlichen Rückschlägen zu lernen. Das ist dann doch ein Fortschritt – oder?
- Du nimmst Dich selbst immer mit
Ich saß schon im schönsten Paradies und spürte innerlich nichts als eine tiefe Leere – und ich saß schon im regnerischen Deutschland fest, voll Freude auf den nächsten Tag. Ängste und Sorgen können wir nicht zu Hause lassen. Reisen alleine macht nicht glücklich. Wie wir uns fühlen hängt nicht primär von dem Ort ab, an dem wir uns befinden, sondern von unserer Perspektive. Das gerät in unserer Gesellschaft schon mal gerne außer Acht.
- Menschen und Beziehungen
Letztendlich dreht sich alles um Beziehungen. Bestimmte Momente werden erst zu etwas Besonderem und werden erst real, wenn wir sie mit anderen teilen. Die wichtigste Person in unserem Leben sind allerdings immer noch wir selbst. Mit uns selbst werden wir auf dieser Erde die meiste Zeit verbringen. Deshalb ist es umso wichtiger zu wissen, mit wem man es auf der Wanderung durchs Leben überhaupt zu tun hat. Und wobei könnte man das besser herausfinden, als beim Reisen?